wolfgang hat geschrieben:Es muss ja keiner Foren nutzen der damit nicht einverstanden ist.
lieber wolfgang!
in dem punkt, möchte ich dir ganz ausdrücklich widersprechen!
genau das ist es nämlich, was ich an vielen foren mittlerweile zu hassen gelernt habe: dass man sich in analogie zum "hausrecht" heraus nimmt, darüber zu entscheiden, was diskutiert werden darf bzw. willkürlich zu einschneidenden mitteln der zensur oder sanktionierung greift, um allen interessierten ihre regeln aufzwingen. sehr oft werden dabei auch ganz elementare demokratische grundrechte leichtfertig ignorieriert, die in öffentlichen zusammenleben draußen in der wirklichkeit zum glück noch immer eine gewisse geltung besitzen. statt als freie plätzen des austauschs und der begegenung zu fungieren, wie es der ursprüngliche wortsinn eines FORVM nahe legen würde, gleichen diese einrichtungen immer öfter irgendwelchen abgeschotteten phantasie-fürstentümmern willkürlicher herrschaftsanmaßung. dabei kommt ihnen in ihren ganz spezifischen nischen als ort der meinungsbildung zunehmend eine nicht zu unterschätzende rolle als multiplikator für das ganz reale leben draußen zu.
ich muss slashcam in diesem zusammenhang allerdings wirklich einmal ganz ausdrücklich mein lob aussprechen. so zurückhaltent, ohne große zensureingriffe und erkennbare willkürliche einschränkungen der spielregeln, werden wirklich nur ganz wenige foren betrieben. ich halte es für ausgesprochen vorbildlich, wie das hier gehandhabt wird! ich würde es daher sehr bedauern, wenn sich das ändern würde und man sich in diesen dingen jenem unerfreulichen status quo angleichen würde, der anderswo regiert.
im falle eines film- bzw. kamera-diskussionsforum, mag es vielleicht keine große rolle spielen, wenn unliebsame meinungen an den rand gedrängt werden oder kritische teilnehmer über kurz oder lang das spiel und dessen aufgezwungenen regeln verlassen. aber ganz so sicher wäre ich mir nicht einmal mehr darin.
ich habe den entsprechenden wandel in den letzten zwei jahrzehnten u.a. am bsp. der alpinistischer diskussion recht intensiv miterlebt. natürlich ist auch dieser ausstausch unter kletterern, der mittlerweile ziemlich massiv vom geschehen im netz geprägt ist, nicht wirklich besonders bedeutsam für unsere gesellschaft als ganzes. in dem punkt, hat es vermutlich einiges mit dem hiesigen interessen gemein. trotzdem ist es dort leider so, dass die auswirkungen der meinungsbildung oft deutlich gravierendere folgen haben. ob sich nun jeder plötzlich einen speedbooster kaufen muss, weil niemand mehr etwas von vernünftig optimierten passenden objektiven wissen will, kann einem wirklich ziemlich gleichgültig sein. in den bergen dagegen verliere ich fast jedes jahr mindestens einen freund od. beiläufig bekannten, weil sich alle in irgendwelche übermütige geschichten hinein theatern lassen, die im netz gefeiert und kultiviert werden, aber in der praxis halt doch immer wieder recht tragische konsequenzen zeigen. keiner von uns ist gegen die entsprechende verführung und irrtümer völlig gefeit. es gibt auch keinen objektiven regeln, an die man sich klammern könnte. die ständig beschworene sportliche "ethik", wird nur ständig neu im aktiven diskurs untereinader ausgehandelt. die einen ziehen dann los, und sanieren wichtige kletterrouten mit verlässlichem sicherungspunkten od. engagieren sich in ausbildungstraining und sicherheitsvermittlung, während die anderen, beflügelt vom diskurs des richtig heldehaften männlichen abenteuergeistes, wie er in den foren gepriesen wird, mit der akku-trennschleifer in der hand ein paar tage später wieder alle haken demontieren und die reine lehre predigen. sehr oft sind es gerade die ganz objektiv mittelmäßigen, die den diskurs letztlich prägen und am lautesten vernehmbar sind. das ganze hat sich dort mittlerweile in einer weise aufgeschaukelt, dass ich mich weitestegehend aus den entsprechenden debatten zurückgezogen habe. es ist nicht mehr viel übrig, von jener ursprünglichen stimmung, in der wir einstmals im netz informationen möglichst effizient auszutauschenen versucht haben, weil es damals schlichtweg billiger und sinnvoller erschien, als weiterhin gedruckte routenführer zu veröffentlichen etc.
mittlerweile wird das entsprechende geschehen fast vollständig von ein paar großen foren- und informationsplattformbetreibern kontrolliert, die entweder an den begleitenden werbemaßnahmen ganz gut verdienen oder den großen traditionellen vereinen mit all ihren ideologischen begleiterescheinungen zuzuordnen sind. kaum jemand stört sich daran, dass man sich dabei ziemlich rücksichtslos restriktivster mittel bedient, den diskurs zu lenken. das "hausrecht" und die auferzwungenen forenregeln, akzeptiert man fast so unwidersprochen wie hüttenordnung in den realen bergunterkünften.
man müsste sich vielleicht nicht lange daran stören, gäbe es da nicht auch diese bedenkliche entwicklung, die vor allem Rainer Amstädter mit seinem "Der Alpinismus. Kultur / Organisation / Politik" (1996) klar aufgezeigt hat, die schon ab 1905 dazu geführt hat, dass in fast allen alpenvereinshütten das bekannte: "Juden und Mitglieder der [widerständigen] Sektion Donauland sind hier unerwünscht!" zu lesen war. es zwar verdammt lange gedauert, bis man endlich klar erkennen konnte, welchen bedeutenden beitrag diese scheinbar unpolitischen vereinigungen der freizeitgestaltung tatsächlich im rahmen der größeren gesellschaftlichen veränderungen schon in sehr frühen stadien tatsächlich gespielt haben, aber es stimmt einem rückblickend doch reichlich nachdenklich. leider ist das überhaupt kein isoliertes phänomen, dass nur den bergsport zutreffen würde. in wahreit gilt es auch für ganz viele andere hobbys, interessen und freizeitaktivitäten in ganz ähnlicher weise.
mir selbst ist das voriges jahr wieder einmal so richtig bewusst worden, als ich bei filmhistorischen recherchen zu einer der ganz wenigen regie-arbeiten, die der geniale Eugen Schüfftan 1932 -- also quasi auf halbem weg ins exil -- geleitet hat, wieder einmal mit der ästhetisierung sportlicher aktivitäten am beispiel der paddl- bzw. faltbootpioniere konfrontiert wurde. da wird man dann plötzlich auch wieder hellhörig, wenn ein freundeskreis von freizeitgenossen (Walter Frentz, Leni Riefenstahl, Albert Speer), wo man sich ursprünglich eigentlich nur von der gemeinsamen freude am austoben in freier natur her kannte, kurz zeit später die bildsprache einer ganzen propagandamaschinerie zu prägen beginnt. aber vermutlich liegen die freiräume und gestaltungsspielräume -- die "kultivierung" -- von ästhetischen zugängen und sportlichen betätigungen zu grunde liegen viel näher beieinander als man das gemeinhin vermuten würde. es sind es oft eher ziemlich nah benachbarte parallelentwicklungen, die die grenze zwischen der belanglosen welt der freizeitbeschäftigung und dem ernst des größeren gesellschaftlichen wandels ineinander verfließen lassen.
o.k. -- das war jetzt wohl wieder einmal ein etwas unangebracht übereiffriger rundumschlag...
trotztdem, lässt es vielleicht erahnen, warum es mir eben nicht völlig gleichgültig ist, ob jemand hier mitmacht od. nicht. das ist also für mich keinesweges eine frage, die man so leichtfertig "ignorieren" sollte. ich halte den umgang mit entsprechenden räumen der sozialen begenung für eine ernsthafte herausforderung, die mit einiger verantwortung verbunden ist.
und wie gesagt: in der gegenwärtigen form halte ich dieses forum hier wirklich für einen wahren lichtblick! es wäre wirklich schön, wenn das so bleiben könnte!