Dieser Clip wirbt für ein fiktives Produkt („Machsals“), das für Couch-Potatoes gedacht ist, die schon alles erlebt haben und die nichts so schnell von Hocker reißt. Also irgendwas zwischen Prozac und Second Life. Bevor Ihr euch diesen Artikel durchlest, solltet Ihr euch vielleicht zuerst den fertigen Clip zu Gemüte führen.
Man findet ihn entweder hier als
Windows Media Clip, 720p, WM9, ca. 35 MB
oder als
Quicktime, 720p, h264, ca. 22 MB, beim Encoding etwas zu hell geworden.
Der Dreh
Gedreht wurde das ganze mit einer Canon HV10 (für die Sofa-Szene) sowie mit einer Panasonic HVX 200 für die Aufnahme des Gitarristen. Die Auswahl der Kameras erfolgte eher zufällig, da sich beide Modelle gerade in unserer Redaktion befanden. Bei der HV10 belichteten wir mit 1/25 Sekunde, wodurch das Material automatisch progressive wurde. Die HVX200 zeichnete ebenfalls progressive mit 720p auf. An Licht benutzen wir neben einem Kinofloh nur normale Neonröhren, die ebenfalls zur Ausleuchtung unsres einfachen Blue-Screens herhalten mussten.
Partikel-Konfetti
Beim ersten Effekt mussten aus der Chips-Wundertüte die übergroßen Konfetti-Schnipsel austreten unter denen sich auch ein Punk-Rock-Chip befindet. Hierfür bemüht man normalerweise ein 3D-Animationsprogramm, jedoch wollten wir soviel wie möglich mit den Funktionen des Production Studios abdecken. Also haben wir hierfür ein Partikelsystem aus After Effects benutzt. Wir sagen bewusst „ein“ Partikelsystem, denn After Effects besitzt durch die Cycore Effekte mittlerweile ungefähr fünf verschiedene Partikel Effekte. Für unsere Belange gefiel uns „CC Particle Systems II“ am besten, weil es relativ schnell in der Berechnung war und bei den Partikeln auch eine einfache Lichtsimulation zuließ. Außerdem ist die Bedienung ziemlich selbsterklärend.

Damit sich die Partikel besser ins Bild fügen, haben wir sie anschließend noch etwas mit einem Lens-Blur weich gezeichnet.
Punk-Rock
Die Wahrheit professioneller Filmkunst wird oftmals verschwiegen oder schön gezeichnet: Um einen Special-Effect glaubwürdig zu erzeugen, ist meistens stunden- oder sogar tagelanges Maskenziehen angesagt. In unserem Fall mussten wir den Gitarristen über 750 Bilder an den Beinen separat freistellen. Denn der Bluescreen-Raum hatte keinen blauen Boden.

An sich wollten wir zuerst die Füße gar nicht "mitnehmen", sondern den Punk-Rocker auf dem Titelbild einer Sofa-Zeitschrift zum Leben erwecken.

Nachdem wir jedoch entschlossen hatten, den Rocker doch auf dem Sofa auftreten zu lassen, war der Dreh schon im Kasten. Ergo mussten wir Bild für Bild die Füße freistellen. Dank der ziemlich guten Masken Funktionen in After Effects geht so etwas jedoch mit ca. 30 Sekunden Arbeitszeit pro Bild über die Bühne. Allerdings hält man auch kaum mehr als zwei Stunden konzentriertes Arbeiten auf diese Weise durch. Wie gesagt, hinter einem guten Key steckt meistens auch viel Handarbeit.
Dazu müssen die Masken natürlich auch noch über Keyframes animiert werden. Wer mit der Lupe hinsieht, bemerkt natürlich weiterhin viele kleine Ungenauigkeiten, aber für die Grundwirkung reichts. Bei mehr Zeit hätten man die Maske eben noch sorgfältiger behandeln müssen.
Der Schatten des Gitarristen auf der Sofa-Kante war dagegen ein echter One-Shot. Einfach die Videospur dupliziert, über Levels zur schwarzen Silhouette gemacht, über 3D-Skalierung auf das Sofa gelegt und weich gezeichnet. Wer genau hinsieht, bemerkt natürlich, dass so ein Schattenwurf an dieser Stelle gar nicht möglich ist, jedoch verleiht dieser simple Trick dem Key deutlich mehr Glaubhaftigkeit. Gleichzeitig konnten wir damit Ungenauigkeiten bei der Maskierung der Füße kaschieren.

Das Fernsehflimmern
Unser Hauptdarsteller sollte ja laut Drehplan unbeteiligt in einen Fernseher starren. Da echte Fernseher eine Lichtquelle im Raum darstellen, mussten wir diesen ebenfalls simulieren. Um einen Lichtschein zu erzeugen, haben wir den Layer dupliziert und mit einem leichten Blaustich versehen. Über eine Expression wird dieser Layer anschließend mit einer zufälligen Opazität zwischen 20 und 30 Prozent über die unkorrigierte Kopie gelegt. Wir hätten natürlich auch schon beim Dreh mit einem Fernseher arbeiten können, jedoch hat die nachträgliche Simulation einige Vorteile: Erstens wird das gesamte Compositing glaubhafter, da sich das Flimmern nun über alle Bildelemente (also auch über den Gitarristen und die Partikeleffekte erstreckt). Und zweitens muss man im Umkehrschluss nicht in ein flimmerndes Bild zusätzliche Elemente einsetzen, was deutlich komplizierter wäre.
Zuerst hatten wir diesen Effekt übrigens noch extremer überlagert, jedoch machte dies das Bild enorm unruhig. Daher haben wir uns entschlossen den Effekt nur subtil (daher maximal 30% Bildanteil) zu überlagern.

Soundschnipsel
Für die Musikuntermalung haben wir uns ein Stück gesucht, das unter der Creative Commons Lizenz für unseren Clip ohne Lizenzzahlungen genutzt werden kann. In Audition haben wir dieses etwas zusammen gestutzt, damit es einigermaßen auf die „Tanzschritte“ unseres Gitarristen passte. Außerdem haben wir aus diversen „Lacher-“ und Soundschnipseln eine eigene Sounduntermahlung für den Fernseher gebastelt. Diese war ebenfalls innerhalb weniger Minuten „im Kasten“.

Titelanimation
Die Titelanimation zum Schluss ist ebenfalls auf der Basis einer Expression entstanden: Die Text-Zeile „Bored@Home?“ wird dabei sowohl mit einem vertikalen als auch mit einem hotizontalen Motion Blur weichgezeichnet. Die zwei Stärke-Parameter werden hierzu einfach über eine Zufälls-Expression gesteuert. Das herein wippende „Machsals“-Logo ist sogar ohne Expressions von Hand animiert worden. Hierfür haben wir den Ankerpunkt an die obere Kante gesetzt und dann über Keyframes die Drehung gesteuert. Mit eine abschwellenden Sinus-Funktion-Expression wäre dies natürlich ebenso leicht gewesen, jedoch gelang gleich der erste Versuch „von Hand“, weshalb wir hier keine weiteren Änderungen vornehmen mussten (oder wollten).

High Definition...
Da wir hochauflösend gedreht haben erfuhren wir ein weiteres mal, was es bedeutet ein komplexes Compositing-Projekt in HD durchzuziehen. Trotz zwei echten und zwei virtuellen Prozessorkernen unseres Produktionssystems (Pentium 4 Extreme Edition, 3,2 Ghz, 1GB Ram) kann man bei einem solchen Projekt dennoch viel Wartezeiten einplanen.

Für alle, die intensiv mit After Effects arbeiten, konnten wir während dieser Produktion noch ein paar „Weisheiten“ im Produktionsalltag sammeln: Man erlebt durch einen Dual-Core Prozessor einen deutlichen Geschwindigkeitssprung. Weitere Kerne brachten dagegen nicht mehr so drastisch spürbare Zuwächse während der Arbeit (wohl aber bei manchen Encodern, Z.B. Wmv). Außerdem ermöglichen mehr Kerne die parallele Arbeit mit anderen Applikationen. Ein Gigabyte Ram sind für HD-Produktionen zwar bereits ausreichend, jedoch bedeutet mehr Ram vor allem einen größeren Bild-Cache und somit auf jeden Fall indirekt mehr Geschwindigkeit beim Arbeiten. Den weitaus größten Geschwindigkeitsboost bei HD-Produktionen bringt jedoch das Einrichten eines Raid-Arrays und die Arbeit mit unkomprimierten Einzelbild-Sequenzen. Da heute ein Software-SATA-Raid schnell aufgezogen ist, können wir letzteres dringend empfehlen. Wenn die Einzelbilder hier mit 100 MB/s und mehr in das Programm flitzen und After Effects keine Dekompression mehr berechnen muss, beschleunigt dies die Arbeit am Projekt erheblich. Wer also schnelles HD-Compositing unter After Effects will, sollte vor allem in schnelle Platten und viel Ram investieren. Ein paar MHZ mehr oder weniger beim Dual-Prozessor spürt man dagegen nicht so stark.
Hinweis: Dieser Artikel ist im Rahmen einer 12-teiligen Workshop-Serie erschienen.
Hier geht es zur Indexseite mit einer Übersicht über alle Workshops
Do it yourself: Testversionen der in den Workshops verwendeten Programme können hier bei Adobe heruntergeladen werden




















