Test Panasonic AG-DVX200 4K-Camcorder

Panasonic AG-DVX200 4K-Camcorder

Mit der AG-DVX100 schrieb Panasonic vor über einem Jahrzehnt Kamerageschichte. Kann mit der AG-DVX200 nun ein ähnlicher Coup gelingen?

// 15:33 Do, 12. Nov 2015von

Die Kamera erinnert bei der ersten Begegnung an ein Stück Kamera-Geschichte. Im Jahre 2002 stellte Panasonic die AG-DVX100 vor, die es seinerzeit in sich hatte. Sie war die erste Kamera deutlich unter 5.000 Dollar die 24p progressiv aufzeichnen konnte. Gegenüber dem üblichen Zeilensprungverfahren bedeutete dies erstmals nicht mehr an das Interlaced-Format des Fernsehens gefesselt zu sein. Die Sensorgröße der Kamera betrug nur 3 x 1/3-Zoll und es wurde maximal in SD mit 720 x 576 Pixeln aufgezeichnet. Dennoch waren die 24p schon Argument genug, um weltweit jede Menge Independent-Filmer für die Kamera zu begeistern. Nicht zuletzt war die AG-DVX100 gern gesehener Gast hinter den drehenden Milchglasscheiben diverser Super35mm-Adapter, um damit den Look des großen Kinos nachzuahmen.




Zielgruppe Indie-Filmer?

Der ähnliche Name der AG-DVX200 könnte nun 13 Jahre nach der AG-DVX100 wohl suggerieren, dass hier in irgendeiner Form ein Nachfolger für Independent -Filmer bereit steht. Doch die Zeiten haben sich grundlegend geändert. Denn ein Großteil der günstig produzierten Filme entstanden in den letzten Jahren mit DSLRs, also filmenden Fotoapparaten. Deren große Sensoren liegen in der Ästhetik sehr nahe an klassischem Super35 Filmmaterial. Hinzu kommt, dass man mit wechselbaren Foto-Objektiven ähnlich flexibel arbeiten kann, wie mit Cine-Primes aus dem Profilager. Durch ihre feste Optik und ihren Micro Four Thirds Sensor kann die DVX200 jedoch diese Vorteile nicht ins Spiel bringen.



Die Panasonic AG-DVX200
Die Panasonic AG-DVX200


Darum dürfte diese Reinkarnation der AG-DVX100 diesmal nicht speziell für Independent Filmer interessant werden. Vielmehr ist die Zielgruppe jetzt die universelle One-Man-Show, die für jede Situation, von der Event-Veranstaltung bis zum inszenierten Hochzeitsfilm jederzeit schussbereit sein will. Die verbaute Leica-Optik deckt mit 12.8-167mm fast jeden denkbaren Anwendungsfall ab. Die Lichtstärke ist mit einer Anfangsbrennweite von F2.8 (bis 4.5) dagegen nicht unbedingt für extreme Nachtshots konzipiert. Dieses Metier liegt einer GH4 mit speziellen Festbrennweiten noch deutlich besser.



Dafür besitzt das Objektiv drei Ringe für Blende, Zoom und Fokus. Dazu lässt es sich per integrierter Zoomwippe steuern. Und nicht nur das. Auch eine Fokus-Transition lässt sich programmieren und automatisch abfahren. Sozusagen ein virtueller Fokus-Puller.



All dies sind Features, die man als DSLR-Filmer so nicht in die Hand bekommt. Auch sonst strotzt die Außenhaut der Kamera vor professionellen Bedienelementen, die nur selten einen Weg ins Menü erfordern. Wie die klassischen Helnkelmänner des letzten Jahrzehnts ist die Panasonic AG-DVX200 darauf ausgelegt, sofort drehbereit zu sein. Das gilt auch für den “riglosen” Betrieb. Hier braucht man keine separaten Audioverstärker, Recorder oder Monitore. Wer es dennoch will: Für die Montage von Zubehör (beispielsweise eines externen Recorders) bieten sich die im Handgriff eingelassenen Gewinde an. Hier kann zwischen 4 Positionen (2 x 3/8”, 2 x 1/4”) gewählt werden.



Die Seitenelemente der Panasonic AG-DVX200
Die Seitenelemente der Panasonic AG-DVX200




Auch ein ND-Filter ist wie der Bildstabilisator fest im , bzw. vor dem Objektiv integriert. Der ND-Filter ist übrigens dreistufig ausgelegt (1/64, 1/16, 1/4, sowie off) und bietet somit auch bei gleißendem Sommer-Sonnenschein genügend Reserven.





Bildstabilisator und Bildkontrolle

Der in die Zoom-Optik der DVX200 verbaute optische Bildstabilisator arbeitet auf überraschend hohem Niveau. Das OIS der DVX200 ist als sog. 5-Achsen-Hybrid ausgelegt. Das bedeutet, dass die im Objektiv verbaute optische Stabilisierung mit der elektronischen Stabilisierung des Sensors zusammenarbeitet. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist ziemlich gut - selbst im maximalen Telebereich (etwas über 380mm auf FF gerechnet) gelingen so noch brauchbare Shots. Hier unser Zoom-Ramp aus der Hand gehalten:






Zur Bildkontrolle stehen unter anderem ein Waveformmonitor und ein Histogramm bereit, das als Subscreen ins Display eingeblendet wird. Leider lässt sich weder die Größe noch die Position des Waveform-Monitors verändern (Dafür kann das Histogramm verschoben werden.)





Formate und Speichermöglichkeiten

Aufgezeichnet wird auf zwei UHS-fähige SD-Karten-Slots, die ab 100 Mbit Datenrate auch Class 3 Karten einfordern. Diese Karten sind im Vergleich zu proprietären Speicherformaten der anderer Hersteller fast schon als spottbillig zu bezeichnen. Und wer sich Sorgen wegen der Zuverlässigkeit machen sollte, kann den zweiten Slot direkt für ein 1:1 Copy-Backup nutzen. Außerdem können per USB3-Host Buchse direkt externe Festplatten für ein Backup angeschlossen werden.



Apropos Datenraten: Hier hat die AG-DVX200 ein paar interessante Möglichkeiten zu bieten: Einmal beherrscht sie echtes Cine4K mit 24p bei maximal 100 Mbps. Noch außergewöhnlicher sind jedoch die UHD-4K-Modi mit 150 Mbps bei 50/60p. Und bis 200 Mbps (teilweise sogar als ALL-I-Option) gibt es interne FullHD-Aufzeichnung bis zu 50/60p.



Alle Aufzeichnungsformate der Panasonic AG-DVX200
Alle Aufzeichnungsformate der Panasonic AG-DVX200


Mit einem externen Recoder lassen sich die 4K-Signale (bis 30p) auch in 10 Bit 4:2:2 aufzeichnen. (Allerdings steht dann keine interne 4K-Aufzeichnung mehr zur Verfügung.)







Menüfunktionen

Muss oder will man allerdings einmal ins Menü, wird es wild und unübersichtlich. Viele Subpages erwarten den Anwender, der hier einigen Lernaufwand investieren muss um persönlich wichtige Punkte schnell zu finden. Trotz großer Buttons auf dem Touchscreen und optionaler Rädchenbedienung verläuft man sich oft in den Untermenüs, wenn man die Kamera nicht sehr genau kennt. Eine echte Hilfe sind hier die 12 programmierbaren Funktionstasten, die das Abtauchen in die Menüs deutlich reduzieren.





Audio

Auffällig und vielleicht nicht Jedermanns Geschmack ist das rot gefärbte hintere Seitenteil, das schon im Vorfeld die Käufer spaltete. Auf jeden Fall erhöht dieses optische Detail den Wiedererkennungswert. Die dahinter verborgene Audioabteilung ist amtlich ausgestattet. Für die 2 XLR-Anschlüsse sind separate, manuelle Pegelräder vorhanden und jeder Kanal lässt sich auch separat manuell oder auf Automatik schalten. Dazu gibt es die Wahl zwischen Line- und Mic-Pegel, sowie selbstredend auch eine getrennt schaltbare 48V Phantomspannung. Praktisch ist auch, dass einer der XLR-Anschlüsse an der Rückseite der Kamera angebracht ist, was noch mehr Flexibilität erlaubt. Und auch nicht selbstverständlich: Man kann sogar einen (XLR-)Eingang auf beide Kanäle schalten aber unterschiedlich aussteuern. So kann man im Falle einer Übersteuerung im Schnitt dann den Ton von einer zweiten, alternativen Spur überblenden, der vielleicht mit 6dB weniger ausgesteuert wurde.



Gut gefallen hat uns die Integration des Displays als Auszugsvariante in das eigene Schutzfach im Henkel sowie der als Lamellenverschluss ausgeführte Objektivschutz, der in die Sonnenblende fest (und damit nicht verlierbar) integriert wurde.



Die Taste für den manuellen Weißabgleich befindet sich auf der Vorderseite der Kamera links unterhalb des Objektivs und damit gut erreichbar. Manuelle Weißabgleiche funktionieren damit problemlos – allerdings zeigt die Kamera nicht den abgenommenen Weißabgleichswert in Kelvin an. Hier würden wir uns über ein entsprechendes Firmware-Update freuen.



Die Kamera selbst wirkt für heutige Verhältnisse ziemlich bullig. Für eine ständige Arbeit aus der Hand mit der seitlichen Trageschlaufe braucht man schon eine gewisse Grundfitness. Denn die rund 3 kg incl. Akku gehen nach einiger Zeit deutlich aufs Handgelenk. Zum Glück gibt es ja noch den Henkel/Tragegriff, der jedoch nicht abschraubbar ist. Das Akkufach an der Rückseite kann ziemlich üppige Akkus schlucken. Die Kamera ist somit auch für lange Drehzeiten ohne Akkuwechsel gewappnet. Der mitgelieferte VW-VBD58-Akku war bei uns auch nach einem Drehtag mit vielen Aufnahmesituationen immer noch nicht ganz leer.



Im Gegensatz zu anderen Henkelmann-Layouts wird der Akkuschacht bei der DVX200 mit einer großen Klappe verschlossen. Somit dürfte hier konstruktionsbedingt ein höherer Regen- und Staubschutz gegeben sein.





Aus dem Messlabor

Die Gretchenfrage ist natürlich die Bildqualität. Kurz gesagt: Die Schärfe ist sehr gut und in weiten Bereichen durch sehr tiefe Menüs kontrollierbar. Grundsätzlich ist das Bild dabei mit einer GH4 vergleichbar, allerdings gelingt der DVX200 bei 24/25p ein besseres Debayering, bei dem mehr Details erhalten bleiben, ohne zusätzliche Moires zu erzeugen.



Hier einmal die DVX200 im Vergleich mit der GH4 (beide in 4K/UHD V-Log L):



Die AG-DVX200 im 4K Schärfetest
Die AG-DVX200 im 4K Schärfetest


Die GH4 im 4K Schärfetest
Die GH4 im 4K Schärfetest


Bei 50/60p liegt die Schärfeabbildung dann ungefähr auf dem Niveau einer GH4 mit 24/25p:



Die AG-DVX200 in 4K bei 50/60p.
Die AG-DVX200 in 4K bei 50/60p.


In UHD mit 50/60p wird vom Sensor (wohl aus thermischen Gründen) übrigens nur noch eine verkleinerte Teilfläche verwendet (ca. 8 statt 12 Mpix). Daher fällt in diesem Aufnahmemodus auch der Weitwinkel von ungefähr kleinbildäquivalenten 31mm auf geschätzte 38mm.



Die Dynamik der Kamera schätzen wir zwischen 10 und 11 brauchbaren Blendenstufen. Mit V-Log steigt diese zwar auf 12 messbare Stufen an, jedoch werden die tonalen Zwischenabstufungen auf unter 7,25 Bit gedrückt. Dem kann man mit einem externen Recorder wie dem Atomos Shogun entgegenwirken, denn die DVX200 kann 10 Bit V-Log in 4:2:2 über HDMI ausgeben. Dies allerdings nur bis 4K/25p. Wie schon bei der GH4 kann in diesem (10 Bit-)Fall keine interne Aufnahme mehr erfolgen. In UHD 50/60p fällt die HDMI-Ausgabe sogar auf 4:2:0 8 Bit ab und bietet somit kaum einen Vorteil gegenüber der internen Aufnahme.







Farben und Low Light

Die werkseingestellte Farbgebung der Kamera ist typisch Panasonic und in weiten Teilen anpassbar. Für unseren Geschmack kommen die Farben dabei zu stark zur Geltung:



Die Farben der DVX200 in der Werkseinstellung.
Die Farben der DVX200 in der Werkseinstellung.


Wir haben unsere Testbilder in V-Log L erstellt, weil man hieran am besten den von Panasonic vorgeschlagenen Farb-Workflow beurteilen kann. So sieht unser 1200 LUX-Testbild der DVX200 in unkorrigiertem V-Log aus:



Die DVX200 in V-LOG ohne LUT
Die DVX200 in V-LOG ohne LUT


Und so stellt sich Panasonic die Farben vor, indem man ihre VLog-LUT auf unsere Testaufnahme legt.



Die DVX200 in V-Log L mit der Panasonic V-LOG LUT
Die DVX200 in V-Log L mit der Panasonic V-LOG LUT


Uns fiel dabei auf, dass gerade die Hauttöne (die man mit unserer Puppe nur begrenzt einschätzen kann) auf dem Vektorskop nicht auf der Hauttonlinie liegen. Wendet man dagegen eine Alexa-LUT an, so liegen die Hauttöne unserer Puppe genau auf der Hautton-Achse, was dann so aussieht:



Die DVX200 in V-Log L mit der ARRI Alexa LUT
Die DVX200 in V-Log L mit der ARRI Alexa LUT




12 Lux



Bei wenig Licht kann die AG-DVX200 kaum Lorbeeren einheimsen. Hier hätten wir gerne eine lichtstärkere Optik oder zumindest eine konstante f 2.8 gesehen. Will man mit der Base-ISO von 500 filmen, braucht es schon gutes Licht, sobald man in höhere Brennweiten hineinwandert. Wer Veranstaltungen indoor covern möchte, sollte also entweder beherzt mit GAIN arbeiten oder ein gutes Aufstecklicht mitbringen. (Letzteres dürfte für Highlights bei Interviews sowieso selbstverständlich sein.)



In diesem Zusammenhang ist uns auch aufgefallen, dass die Kamera im Weitwinkel nicht sonderlich nah fokussieren kann. Damit konnten wir unseren Low-Light-Test nicht im maximalen Weitwinkel durchführen, sondern mussten von weiter weg heranzoomen. Dies bedeutete jedoch zwingend, dass die für uns nutzbare Anfangsblende von F2,8 auf F4 Anstieg, was real eine weitere Blendenstufe kostete. Bei 12 Lux, 1/48s, Blende 4 und ISO6400 blieb unser Testbild daher immer noch etwas duster...



Die DVX200 bei 12 Lux, F4, 1/48s und ISO6400
Die DVX200 bei 12 Lux, F4, 1/48s und ISO6400


Den High Sensitivity-Modus haben wir auch kurz ausprobiert, konnten jedoch subjektiv kaum eine Verbesserung des Rauschens feststellen, die über eine normale ISO-Kompensation hinausgeht. Die Funktion dürfte damit wohl vor allem nützlich sein, wenn die vorhandenen, maximalen Gain-Stufen für ein Motiv nicht ausreichen.





Fazit

In Zeiten filmender Fotoapparate ist es fast erfrischend einmal wieder einen klassischen Henkelmann in der Hand zu halten, an dem die schnelle Einsatzbereitschaft und effektive Bedienung beim Filmen im Vordergrund steht. Die fest verbaute Optik kostet zwar etwas Lichtstärke, bietet aber dafür viele integrierte Features wie ND-Filter, Zoomwippe oder den sehr guten Bildstabilisator, was bei Grossensor-Filmern nach wie vor gefragte, aber nicht immer leicht nachrüstbare Features sind.



Im cinematischen Bereich sehen wir die Kamera dennoch weniger. Vielmehr dürfte ihre 4K Aufzeichnungsmöglichkeit mit 50 oder 60Hz in der Fernsehproduktion an vielen Stellen Türen öffnen, für die man bisher deutlich mehr investieren musste. Und auch für den Event-, Sport-, und Industriebereich dürfte die DVX200 prädestiniert sein.



Unterm Strich eine ausgewogene und derzeit auch fast einzigartige Kamera, die sich nur wenig Schwächen erlaubt.



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