Und wieder eine Fernseh-Doku, die mit einer Video-DSLR für den NDR gedreht wurde. Diesmal mit einer Canon EOS 60D. Also den Sendetermin heute Abend 00:00 merken und sich darüber freuen, dass interessanten Projekten jenseits von technischen Senderabnahmen eine Chance gegeben wird ...
Worum geht es in Vergiftet?
"Vergiftet" ist die Reise in eine sehr stille und doch zugleich harte Welt: in den Alltag von zwei Männern, die aufgrund ihrer früheren Arbeit schwer erkrankt sind. Ein Schock für beide: erst Jahrzehnte nach ihren Knochenjobs auf Baustellen und in Bergwerken mussten sie realisieren, dass die Arbeit ihre Körper auf unterschiedliche Weise schwer vergiftet hat. Durch Uranverstrahlung unter Tage und durch Asbest auf Baustellen. Wie gehen sie jetzt als Rentner mit diesem Schicksalsschlag um und wer übernimmt die Verantwortung für diese Katastrophen? Der Film zeigt überraschende Antworten.
Seit wann habt ihr euch mit dem Thema beschäftigt und wie seid ihr darauf gekommen?
Vor gut einem Jahr berichteten wir in der NDR-Sendung "Menschen&Schlagzeilen" über den Skandal in einer Bremer Werft, in der Jahrzehntelang Arbeiter mit dem gefährlichen Arbeitsstoff Asbest in Berührung kamen und daran zum Teil tödlich erkrankten. Die Menschen bekamen zu Tausenden Lungenkrebs. Doch niemand wollte richtig die Verantwortung dafür übernehmen. Nach weiteren Recherchen fiel uns auf, dass es in Deutschland unzählige weitere Berufe gibt, in denen in der Vergangenheit Arbeiter nicht richtig geschützt wurden und heute, oft sterbenskrank, um ihr Recht kämpfen. Das war der Anlass, darüber einen längeren Film zu machen. Wir wollten diesen Leuten ein Forum geben, damit dieses Unrecht bekannter wird.
Wie ist das Thema ins Fernsehen gekommen?
Mit dem bereits gesendeten Beitrag, der acht Minuten lang war, hatten wir eine gute Bewerbung in der Hand, um in der Abteilung Dokumentation und Reportage im NDR vorzusprechen. Dort führten wir dann zwei, drei ausführliche Gespräche mit der zuständigen Redakteurin, Barbara Denz, der das Thema sofort gefiel. Dazu unterstützte uns der erfahrene Dokumentarfilmer und Freund Timo Großpietsch dabei, das Projekt im NDR unterzubringen. Schnell entschieden wir uns gemeinsam diesen Film als Videojournalisten umzusetzen, vor allem weil er dicht die Lebensrealität der alten Menschen zeigen sollte. Es war klar, dass unser Team und Equipment so klein wie möglich sein musste.
Wie viel Zeit hat die Planung des Films benötigt?
Wir suchten mit Hilfe von Experten, die wir kannten, im Kreis der Patienten nach Protagonisten für den Film. Diese waren nicht leicht zu finden. Die Szene ist scheu und vor allem tief enttäuscht vom System der Unfallversicherungen und auch von den Medien. Bislang fühlten sich diese vermeintlichen Opfer nicht richtig dargestellt und sie haben auch wenig Vertrauen, das Filme über ihr Schicksal etwas ändern können. Nur am Rand: wirklich etwas ändern wird unser Film am System auch nichts. Das haben wir allen klar gemacht. Ziel war nur, endlich ein Forum zu schaffen, wo diese Menschen in ihrem stillen Kampf stattfinden.
Letztlich gaben viele persönliche Gespräche mit ihnen am Ende den Ausschlag, dass sie uns doch vertrauten. Diese Suche dauerte rund zwei Monate. Ein Monat ging noch drauf um alles rund um die Geschichte zu recherchieren, sprich: wer ist die Gegenseite, welche Experten können uns Hintergrundinformationen und weitere Quellen nennen? Welche Fakten belegen die Ungerechtigkeit? Dann noch ein Monat allein für die Technik. Welche Kamera kaufen wir dafür? Wie lösen wir Ton etc. Also rund vier Monate dauerte es insgesamt bis zum Startschuss.
Stand von Anfang an fest, welche Beitragsform fürs TV gewählt werden würde (welches TV-Format)?
Wir waren sicher, dass nur ein ausführlicher Film, mit einer Länge von mindestens 45 Minuten, der Komplexität des Themas gerecht würde. Daher waren wir sehr glücklich, dass wir schnell eine Zusage von der Redaktion für dieses Format bekamen.
Mit welchem Kameraequipment habt ihr gedreht?
Wir wollten das Projekt mit der HPX171 von Panasonic angehen, überlegten dann aber unmittelbar vor der Produktion, dass die tiefen, dunklen Schächte des Bergwerks am besten mit einer lichtstärkeren Kamera aufzufangen wären. Wir kauften uns die 60D. Die 5D war uns für die Dokumentation zu mühsam, gerade weil ihr ein Klappdisplay fehlt und wir die Kamera auch nicht wieder künstlich vergrößern wollten, mit RIGs etc. Die 60D war eine fast unsichtbare Amateurkamera – und damit perfekt für die dokumentarische Arbeit. Oft glaubten die Menschen gar nicht, dass wir damit wirklich filmen, sondern hielten uns für Touristen.
Welche Erfahrung habt ihr mit der Panasonic AG-HPX 171 gemacht?
Wir empfanden ihr Display als extrem schwierig, vor allem um Schärfen zu erkennen. Gerade im Wechsel mit dem 60D Display war es zum Teil mühsam, sich wieder auf das 171-Display umzustellen. Das Aufnahmeformat auf P2 Karten ist praktisch, vor allem wegen der langen Aufnahmezeit.
Welche Erfahrung habt Ihr mit der Canon EOS 60 D gemacht?
Im Prinzip ist das eine super Kamera. Sie lief ja in Konkurrenz zur GH2 als Kamera mit Schwenkdisplay auf dem Markt. Am Ende war es rein das Handling das den Ausschlag gab, diese Kamera und nicht die GH2 zu kaufen. Mit zwei Objektiven, 14mm Zoom und einem 50mm, Blende 1,8 gaben wir 1600 Euro aus. Nicht viel für eine so bildstarke Kamera, die uns in ihrer Lichtstärke häufig, gerade unter Tage gerettet hat. Durch die geringe Tiefenschärfe hatten wir mit 1,8er Optiken auch leichtes Spiel um die gesetzten Interviews ästhetisch einzusetzen. Mit der 171 z.B. hätten wir dafür aufwendig weitläufige Räume finden müssen, um zumindest ein wenig Tiefenunschärfe zu erreichen. Generell: die Unauffälligkeit dieser kleinen Groß-Chip Kameras ist unschlagbar für beobachtendes Arbeiten. Das Schärfensuchen gerade in reportagigen Momenten muss man dann in Kauf nehmen.
Natürlich aber hat diese Kamera auch gewaltige Kinderkrankheiten: eine Live-Pegelung des Tons „on Record“ ist nicht möglich, was die GH2 dagegen kann. Man muss sich, wenn man nicht separat Ton aufzeichnet, sehr auf seine Vorpegelung verlassen, wenn man mit der 60D nicht übersteuern will. Auch das Einladen des EOS Materials in Final Cut Pro hat immer wieder Probleme gemacht. Ein Freund gab uns den Tipp eines Zusatzpatches, mit dem wir das Material dann runterkonvertiert auf Apple-Pro Res 422 einladen konnten.
Worauf wurde der Film geschnitten ?
Auf Final Cut Pro 6.
Wie war Euer Drehverhältnis?
Es lag bei 1:30. Viele unserer Hintergrundgespräche mit Experten und auch Insidern filmten wir, damit wir den vollen Spielraum hatten, die einzelnen Fälle noch detailreicher schildern zu können. Und auch, um juristisch abgesichert zu sein, dass wir verschiedene Quellen haben, die die Äußerungen unserer Hauptfiguren belegen. In mindestens einer dieser beiden Geschichten liegt nämlich unglaublich viel Schmutz. Am Ende haben wir vieles von dem erst mal für uns behalten und dem Schnitt wieder entzogen, da wir uns entschieden, in diesem Film den Fokus auf das Leid der Menschen zu legen und weniger auf die Skandale, die dieses erzeugt haben. Das werden wir dann an anderer Stelle tun.
Wie habt ihr Euren Ton aufgenommen?
Wir hatten keine Zeit mehr, Tonadapter wie das Beachtech für die kleine Canon auszuprobieren. Außerdem entwickelte sich das Vorhaben, den Film doch zu ¾ auf der Canon zu filmen und nicht wie geplant auf der 171, erst während der ersten Drehtage. Daher entschlossen wir uns zu einem sehr nervigen, umständlichen Verfahren: wir drehten oft mit zwei Kameras. Mit der Panasonic 171, die den Ton hatte, aufgenommen über eine G3-Funktstrecke von Sennheiser. Die Canon drehte quasi „stumm“, also nur mit ihrem Kameraeigenen Ton, den man nicht wirklich verwenden kann. Zumindest aber half dieser Ton schon dabei die Töne später synchron legen zu können. Das wurde in den Interviews, die wir mit der 60D aufnahmen nötig. Aber auch in vielen beobachtenden Szenen, die wir mit der Canon filmten, den Ton aber von der 171 benötigten. In Zukunft werden wir mit Adapter und nur noch der kleinen Fotokamera drehen. Auch wenn ich sicher bin, dass dies Tonprobleme bringen wird, weil die 60D kein Live-Pegeln ermöglicht.
Wie kommt man mit einer VIdeo-DSLR, die kein 4:2:2 50 Mbit/s produziert ins Fernsehen?
Es ist klare Absprache mit der Redaktion und dem technischen Apparat der hinter so einer Produktion steht. Der Film war auf der Kamera verabredet, dann nehmen alle die geringere Datenrate in Kauf.
Wann und wo gibt es Euren Film zu sehen?
Der Film läuft am Dienstag, 15. November um 0.00 nachts im NDR Fernsehen. Alle Infos und spannende Zusatzrecherchen findet man auf n-joyextra, www.n-joy.de.
Vielen Dank für das Interview an Christian v. Brockhausen & Pia-Luisa Lenz
Hier der Trailer per Link zu youtube:
Hier der Pressetext des NDR:
Und der Link zur NDR-Mediathek in der der Film ebenfalls nach dem Sendetermin zu sehen sein wird.