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CAMCORDER WORKSHOP Teil 3 : Schärfe und Fokus

Teil drei unserer Serie rund um die Handhabung des Camcorders handelt von Schärfe und dem Fokussieren: wie entsteht Schärfe beziehungsweise Unschärfe, was genau ist Schärfentiefe, wann darf dem Autofokus vertraut werden und wann nicht.

// 17:14 Di, 29. Mär 2005von

Teil drei unserer Serie rund um die Handhabung des Camcorders handelt von Schärfe und dem Fokussieren: wie entsteht Schärfe beziehungsweise Unschärfe, was genau ist Schärfentiefe, wann darf dem Autofokus vertraut werden und wann nicht.


Viele Videofilmer versuchen, ihre Aufnahmen mehr wie Film denn wie Video aussehen zu lassen. Zu diesem Zweck gibt es diverse Software-Plugins, die beispielsweise den Kontrast und die Farbräume manipulieren. Ein entscheidender Faktor des so genannten Videolooks, der nicht nachträglich in der Postproduktion beeinflusst werden kann, ist jedoch die Schärfe. Das standardmäßig aufgenommene Videobild ist in der Regel zu scharf, und wirkt dadurch geradezu flach (siehe zum Beispiel Abbildung 1). Vorder- und Hintergrund werden beide gestochen scharf wiedergegeben, dem Bild fehlt jede Tiefenwirkung – ganz anders als bei klassischen Filmaufnahmen. Diese haben eine geringere Schärfentiefe als Video und liegen unserem natürlichen Sehen viel näher, wo ja auch nur ein sehr kleiner Bereich des Sichtfeldes jeweils scharf wahrgenommen wird.



Der klassische Videolook: von einem knappen Meter bis unendlich wird alles gestochen scharf abgebildet. Nur die Größenunterschiede weisen daraufhin, dass die hinteren Bänke und Tische sich viel weiter weg von der Kamera befinden.
Der klassische Videolook: von einem knappen Meter bis unendlich wird alles gestochen scharf abgebildet. Nur die Größenunterschiede weisen daraufhin, dass die hinteren Bänke und Tische sich viel weiter weg von der Kamera befinden.



Wie entsteht Schärfe?

Doch um zu verstehen, wie Schärfentiefe funktioniert, müssen wir uns erst einmal klar machen, was Schärfe überhaupt bedeutet. Technisch gesprochen entsteht eine scharfe Abbildung, wenn ein Punkt auf der Gegenstandsebene auch einem Punkt auf der Bildebene entspricht (siehe Abbildung 2). Punkte, die nicht auf der Gegenstandsebene liegen (also näher oder weiter weg sind), werden nicht als Punkte, sondern als Flächen abgebildet, also verschwommen. Die Größe der Zerstreuungskreise bestimmt, wie unscharf ein Gegenstand abgebildet wird. Mit anderen Worten gibt es physikalisch gesehen nur eine einzige Ebene, die wirklich scharf abgebildet wird. Da unsere Wahrnehmung nicht sehr genau ist, fällt die Unschärfe jedoch erst auf, wenn die Zerstreuungskreise eine gewisse Größe erreichen.



Dieser schematische Vergleich zeigt, wie sich die unterschiedlichen Blendenöffnungen auf die Schärfentiefe auswirkt: In[A] fallen die Zerstreuungskreise[rote Markierung] klein aus – das zweite Objekt[grün] würde also in dieser Aufnahmesituation mit geschlossener Blende noch als scharf wahrgenommen werden, obwohl es nicht auf der Schärfeebene liegt. In[B] dagegen, bei geöffneter Blende, verschwimmt es, weil die Zerstreuungskreise zu groß sind[geringe Schärfentiefe].
Dieser schematische Vergleich zeigt, wie sich die unterschiedlichen Blendenöffnungen auf die Schärfentiefe auswirkt: In[A] fallen die Zerstreuungskreise[rote Markierung] klein aus – das zweite Objekt[grün] würde also in dieser Aufnahmesituation mit geschlossener Blende noch als scharf wahrgenommen werden, obwohl es nicht auf der Schärfeebene liegt. In[B] dagegen, bei geöffneter Blende, verschwimmt es, weil die Zerstreuungskreise zu groß sind[geringe Schärfentiefe].


Der Fokus ist abhängig vom Abstand zum aufgenommenen Objekt und von der Linse. Beim Fokussieren hat man theoretisch drei Möglichkeiten: den Abstand zum aufzunehmenden Gegenstand verändern, bis er scharf ist, die Bildebene (in unserem Fall der bildwandelnde Chip, der CCD) verschieben, oder die Linse bewegen. Im Camcorder passiert letzteres beim Scharfstellen, wobei ja im Objektiv einer Videokamera ein ganzes Arsenal von Linsen enthalten ist, um die Lichtstrahlen auf das kleine CCD zu lenken.








Schärfentiefe

Streng gesehen stellt man also nicht auf einen Gegenstand scharf, sondern auf die Entfernung des Gegenstandes zur Kamera. Mit Schärfentiefe (auf englisch: depth-of-field) bezeichnet man den Bereich vor und hinter dieser Ebene, der noch als scharf wahrgenommen wird. Die Schärfentiefe ist von mehreren Faktoren abhängig, wie zum Beispiel dem Abstand zum aufgenommenen Objekt, der Brennweite des Objektivs, und der physikalischen Größe der Fläche, auf der das Bild entsteht. Diese ist bei DV-Kameras nur einige Millimeter groß, was der Hauptgrund dafür ist, dass Camcorder dazu neigen, Vorder- und Hintergrund gleich scharf darzustellen. Es entsteht der typische "Videolook".



CAMCORDER WORKSHOP Teil 3 : Schärfe und Fokus : 3
CAMCORDER WORKSHOP Teil 3 : Schärfe und Fokus : 4
Hier wurde ein Motiv zweimal aufgenommen, mit dem einzigen Unterschied, dass in[3] eine Blende 11 eingestellt wurde, in[4] dagegen die Blende komplett geöffnet ist[Blende 2]. Der resultierende Unterschied in Sachen Schärfentiefe ist deutlich sichtbar: obwohl in beiden Fällen auf den Rettungsring scharf gestellt wurde, läßt sich in[3] die filigrane Struktur der Reichstagskuppel im Hintergrund ebenso scharf wahrnehmen, während in[4] nur der Vordergrund scharf ist.



Trotzdem lässt sich auch hier in bestimmten Grenzen kreativ mit Schärfentiefe umgehen, nämlich durch den bewussten Umgang mit der Blende, wie schon im letzten Teil dieser Serie kurz angesprochen wurde, und wie unsere schematische Illustration zeigt (Abbildung 2). Bei der kleineren Blendenöffnung (A) werden die Lichtstrahlen gebündelt und die Zerstreuungskreise somit enger, was zu einer großen Schärfentiefe führt. Bei voll geöffneter Blende (B) spreizen sich die Strahlen maximal, was eine geringere Schärfentiefe zur Folge hat. Die Abb. 3 und 4 zeigen, wie sich die resultierenden Aufnahmen unterscheiden. In Abbildung 3 wurde auf den Rettungsring scharf gestellt, doch bei einer Blende 11 läßt sich die filigrane Struktur der Reichstagskuppel im Hintergrund ebenso scharf wahrnehmen. Nicht so bei Aufnahmen mit Blende 2 (Abbildung 4 ) -- Vordergrund und Hintergrund werden hier merklich voneinander getrennt: Es entsteht ein Bewusstsein für die Entfernung der einzelnen Objekte voneinander. All dies lässt sich natürlich nur im manuellen Betrieb einstellen, wobei auch darauf geachtet werden muss, neben der Blende auch die Verschlusszeit entsprechend zu regulieren, um den gleichen Belichtungswert beizubehalten. Der Spielraum für den Einsatz der Blende zum Regeln der Schärfentiefe wird durch die möglichen Blenden-Verschlusszeitenpaare, wie im zweiten Teil dieser Serie beschrieben wurde, vorgegeben.






Der Autofokus und seine Grenzen

Soviel zur Theorie – doch wie sieht es in der Praxis aus? Obwohl in keiner Top-Ten-Tippliste der Hinweis fehlen dürfte, man möge immer mit manuellen Einstellungen filmen, wird natürlich trotzdem so manche Aufnahme im Automatikbetrieb gemacht. Das ist leider vielen Filmen nachher auch anzusehen – ein geradezu klassischer Manko ist das kurze “Pumpen” des Autofokus, wobei das Bild kurzzeitig verschwimmt, weil die Kamera die Schärfe nachjustiert (und dies oft, ohne dass es überhaupt notwendig gewesen wäre).


Wer dennoch mit dem Autofokus arbeiten möchte, sollte sich zumindest etwas im klaren darüber sein, wie dieser arbeitet und in welchen Situationen mit Schwierigkeiten zu rechnen ist. Grob gesprochen wird die Schärfe anhand der Kontrastunterschiede im Bildausschnitt ermittelt. Die Kameraautomatik justiert die Optik so, dass möglichst scharfe Kontrastübergänge im Bild vorhanden sind. Tatsächlich wird dem Bild im Inneren der Kamera noch etwas Pseudo-Schärfe hinzugefügt, indem die vorhandenen Kontrastübergänge verstärkt werden (so genannte Kontur). Je dunkler übrigens die Umgebung ist, in der gefilmt wird, desto weniger Kontraste sind vorhanden, was eine genaue Fokussierung per Autofokus erschwert.



Der Autofokus geht davon aus, dass die Schärfe auf den zentralen Bildteilen liegen soll[hier das Wahrzeichen Berlins, der Fernsehturm]. Um auf das Modell zu fokussieren, muss entweder der Bildausschnitt verändert werden, oder die Schärfe manuell eingestellt werden.
Der Autofokus geht davon aus, dass die Schärfe auf den zentralen Bildteilen liegen soll[hier das Wahrzeichen Berlins, der Fernsehturm]. Um auf das Modell zu fokussieren, muss entweder der Bildausschnitt verändert werden, oder die Schärfe manuell eingestellt werden.


Der Autofokus stellt die Schärfe vor allem auf die zentralen Bildteile ein. Dies bedeutet, dass bei manchen Bildkompositionen der Fokus nicht unbedingt dort liegen wird, wo Sie ihn gerne haben möchten. Bei einem Bildausschnitt wie beispielsweise in Abbildung 5 kann die Schärfe nur mit ausgeschaltetem Autofokus auf das Modell eingestellt werden.



Der Autofokus liegt stets auf der Lauer: sowie sich etwas im Bildausschnitt verändert, reagiert er mit einer Justierung der Schärfeeinstellung. Wenn, so wie hier, jemand zwischen Motiv und Kamera tritt, verschiebt sich sofort der Fokus.
Der Autofokus liegt stets auf der Lauer: sowie sich etwas im Bildausschnitt verändert, reagiert er mit einer Justierung der Schärfeeinstellung. Wenn, so wie hier, jemand zwischen Motiv und Kamera tritt, verschiebt sich sofort der Fokus.


Vorsicht ist geboten, wenn es Bewegung vor dem Hauptmotiv gibt. Nicht nur kann es hier schnell zu einem Blendensprung kommen, sondern auch zu einer ungewollt nachführenden oder pumpenden Schärfe, und zwar in dem Moment, wenn etwa ein Fußgänger durch das Bild läuft (Abb. 6). Achten Sie darauf, in solchen Situationen den Autofokus abzuschalten. Wenn dann jemand zwischen Kamera und Motiv tritt, bleibt ihr Motiv fokussiert.


Zuweilen bewährt sich jedoch der Autofokus. Zum einen natürlich zum schnellen Fokussieren – wer es eilig hat, kann den Autofokus scharf stellen lassen, und sodann in den manuellen Betrieb überwechseln. Sogar aus dem manuellen Betrieb heraus kann bei manchen Camcordermodellen die Kontrolle kurzzeitig der Automatik überlassen werden, indem die Taste “push auto” gedrückt wird (Abb. 7). Es empfiehlt sich, dies nicht während der Aufnahme zu tun, es sei denn, eine (eventuelle) Schärfeverlagerung ist erwünscht.



Solange im manuellen Betrieb der bei semi-professionellen Camcordern vorhandene "push auto"-Knopf gedrückt wird, ist der Autofokus aktiviert, was praktisch sein kann, will man nicht selbst die Schärfe nachregulieren.
Solange im manuellen Betrieb der bei semi-professionellen Camcordern vorhandene „push auto“-Knopf gedrückt wird, ist der Autofokus aktiviert, was praktisch sein kann, will man nicht selbst die Schärfe nachregulieren.




In Aufnahmen, bei denen sich das Hauptmotiv gleichmäßig immer näher zur Kamera hinbewegt, kann mit Hilfe des Autofokus die Schärfe auf dem Objekt beibehalten werden, vorausgesetzt, das Motiv befindet sich immer relativ zentral im Ausschnitt. Bei diffusen Bewegungen arbeitet der Autofokus jedoch nicht immer wie gewünscht und gerät leicht ins Pumpen. Schalten Sie bei entsprechenden Motiven die Automatik aus. Wählen Sie einen Bereich für die Schärfe manuell und beziehen Sie ruhig die vorhandene Unschärfe bewusst in das Motiv mit ein.






Manuelles Fokussieren

Da sowohl Display als auch Sucher viel kleiner sind als das aufgenommene Videobild, erscheint das Bild dort oft schärfer als es tatsächlich aufgezeichnet wird. Daher sollte beim manuellen Fokussieren ein besonders wichtiger Bildbereich herangezoomt werden – bei Menschen etwa das Gesicht –, um die Schärfe optimal beurteilen zu können. Ob dabei das Display oder der Sucher benützt wird, ist mittlerweile Geschmackssache, da beide eine ähnlich hohe Auflösung mitbringen (um die 125.000 Pixel). Zum Scharfstellen bieten die meisten Camcorder-Modelle einen Ring am Objektiv, der per Motor die Optik reguliert.


Wann sollte nun unbedingt manuell fokussiert werden? Zusätzlich der schon angesprochen Situationen mit viel Bewegung im Motiv oder in dunkler Umgebung gibt es noch einige Fälle, wo der Autofokus auf jeden Fall ausgeschaltet werden sollte. Zum einen in kontrollierten Interviewsituationen – eine ausladende Handbewegung seitens des Interviewpartners und schon meint der Autofokus, nachregeln zu müssen. Ein anderer Fall ist die Zoomfahrt, da die Automatik die Schärfe nicht unbedingt synchron nachzieht. Hier reicht es allerdings nicht, vor dem Zoom den Autofokus auszuschalten, denn die Schärfe soll ja auf dem Endpunkt des Zooms liegen. Sie sollte also vorher unbedingt wie oben beschrieben per Zoom sauber eingestellt werden.






Gestalten mit (Un-)Schärfe

Neben Bildkomposition und Lichtsetzung ist die Schärfe (und mit ihr die Unschärfe) ein wichtiges, gestalterisches Instrument des Kameramanns. Durch sie können manche Bildinhalte betont werden, die Aufmerksamkeit der Zuschauer gelenkt werden, oder auch einfach ein interessantes Bild geschaffen werden.


Indem wie oben beschrieben der Bereich der Schärfentiefe bewusst gesetzt wird, kann auch bei Videoaufnahmen eine Staffelung des Bildraums erzielt, und so ein Gefühl von Tiefe erzeugt werden. Natürlich kann, ganz pragmatisch, auch nur ein störender Hintergrund etwas durch Unschärfe abgemildert werden, bei einem Interview beispielsweise.


Auch eine Schärfeverlagerung kann ein interessantes, bildtechnisches Mittel sein, das man aus vielen Hollywoodfilmen kennt. Sie trennt, ähnlich wie ein Schnitt, Objekte voneinander, indem sie sie in die Tiefe staffelt, belässt sie jedoch im selben Ausschnitt, was für mehr Kontinuität als ein Schnitt sorgt. Um eine präzise Schärfeverlagerung mit der DV-Kamera zu meistern, empfiehlt es sich, Markierungen auf den Fokusring zu kleben für Anfangs- und Endpunkt des Fokusrings. Mit diesen Markierungen können sie nun kontrolliert die Schärfe von Objekt 1 nach Objekt 2 verlagern. Das ganze macht natürlich nur Sinn, wenn mit sehr geringer Schärfentiefe gearbeitet wird.



Verschwommene, tanzende Lichtpunkte zeichnen eine stimmungsvolle Impression.
Verschwommene, tanzende Lichtpunkte zeichnen eine stimmungsvolle Impression.


Bedenken Sie generell, dass auch Unschärfe ein gestalterisches Element sein kann. Vor allem Lichtpunkte in ansonsten dunkler Umgebung, zum Beispiel Autoscheinwerfer, können stimmungsvolle, abstrakte Impressionen darstellen. Auch so manche Fernsehreportage bedient sich der Unschärfe, vor allem, um eher statische Aufnahmen künstlich mit Bewegung zu versehen. Dabei wird das Motiv zuerst bewusst manuell unscharf gestellt. Wird dann der Autofokus aktiviert, gibt es eine interessante Bewegung zur Schärfe hin. Selbstverständlich kann der Effekt auch nachträglich im Schnitt hinzugefügt werden, ein Trick der gerne verwendet wird, um einen unvermeidbaren Schnittfehler zu kaschieren.








Tipps:

Häufig gelangt man durch bewusstes Ein- aber vor allem Ausschalten von Automatiken schneller zum gewünschten Resultat. Setzen Sie für einfaches Scharfstellen den Autofokus ein, und stellen Sie dann auf manuell um.



Verwenden Sie bei Ihren Aufnahmen möglichst den manuellen Fokus und fokussieren Sie immer auf Ihr Hauptmotiv.



Bei der Wahl der Blende gilt als Daumenregel: kleine Blendenöffnung (Blende 8,11 etc.) = große Schärfentiefe, große Blendenöffnung (Blende 1.6, 2, etc.) = geringe Schärfentiefe.


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