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Freud auf Netflix (keine Spoiler)

Verfasst: Sa 28 Mär, 2020 16:40
von Axel
Gequirlte Schaaß, sagt ein Youtube-Reviewer zu dieser österreichischen Netflix-Serienproduktion. Er bezeichnet sich als Freud-Fan und zeigt im Video seine persönliche Paperback-Reihe von Freuds Büchern in Ehrfurcht gebietender Untersicht. Natürlich hat er Recht. Aber er ist wahrscheinlich Generation Y oder Z.

Auch andere Verrisse sind nicht schwer zu finden. Ich selbst (Freud-Fan, Boomer, warum, dazu später) sah den Trailer und dachte, o Gott, was für ein Mist. Aber zum Setting:

Im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts hat der junge Freud gerade Kokain als Allheilmittel entdeckt. Mit seinen Versuchen, die medizinische Fachwelt durch Vorführungen von *gefakter* Hypnose zu beeindrucken, scheitert er. Das sind die ersten paar Minuten der ersten Folge.

Nicht schwer nachzuvollziehen, dass die modernen Jünger Sakrileg schreien. Auch die nachfolgende Intrige, die medizinischen Wahnsinn, Aberglauben, Psychohorror und Kinohorror vermengt, Logiklöcher und Hänger hat und Spannung nur für Minuten in effekthascherischen Neben-Handlungen halten kann, ist nicht geeignet, den gestrengen Anforderungen der Kritik zu genügen.

Nein, hier wurde wirklich alles vergeigt, was (hier kommt der Boomer) ein moderner Jodorowsky vergeigen konnte ...

... und auf ähnlichen Dada-Umwegen, wie sie vor allem Österreichern immer wieder leicht fallen, kommen wir doch wieder zu Potte. Die Psychohygiene der Menschen dieser Zeit, vom dümmsten Zuhälter bis hin zum Kaiser selbst, war gelinde gesagt unzureichend, und so entstehen diese Kuriositäten. Josef Breuer erklärt es Freud so: "Sie kennen alte Landkarten, Seekarten? Dort, wo alles endete, wo unbekanntes Territorium begann, dort zeichnete man monströse Fabelwesen. Dort schrieb man hic sunt dracones!"

Ein Geniestreich? Nein, bitte nicht missverstehen. "Freud" verhält sich zu einer hypothetischen deutschen Biographie-Serie über den Doktor wie "Kottan ermittelt" zu einer Folge "Derrick".