macaw hat geschrieben: ↑So 08 Dez, 2024 19:15
...Aber dann fällt mir ein, daß es Gottseidank noch treu ergebene Untertanen gibt...Antonio Gramsci`s "Der Hegemon" fällt mir da ein: "Diese Beobachtung, wie sich selbst noch der kleinste Unterdrückte Knecht beim sonntäglichen Kirchgang oder beim Anblick jenes Herrschaftshauses, in dem er seinen Dienst versehen muss, mit dem Prunk der Repräsentierten Machtfülle identifiziert und ganz stolz als winziger Teil davon fühlt, statt die tatsächliche Erbärmlichkeit seiner Ausgeliefertheit an diese bestehenden Hierarchien zu hinterfragen"
Ein Kommunist. Seine Beobachtung ist trotzdem universell. Es gibt Hierarchien, also Machtstrukturen. Die gibt es überall, im Kommunismus, im Sozialismus, im Faschismus, im Kapitalismus und in der Demokratie. Der kleinste Knecht, das sind
aus einer bestimmten Perspektive auch wir, denn wenn wir die internationale, die nationale und die regionale Politik anschauen, dann ist jedes Einzelnen unter uns Einfluss darauf nur gering. Das Adjektiv "unterdrückt" würde ich in unserer Gesellschaft aber
zuerst hinterfragen, bevor ich meine Ausgeliefertheit an diese Hierarchien hinterfrage. Ich
kann meine Meinung äußern. Wenn ich Widerspruch bekomme, dann ist das keine Unterdrückung, und wenn ich das empört behaupte, bin ich entweder wirklich ein erbärmliches Würstchen, ein "snowflake" oder, schlimmer, ein Populist, ein Volksverhetzer. Ich erkenne diese Pappenheimer daran, dass sie gar keine stimmige, äh,
Alternative vorzuweisen haben, sondern bloß hohle Sprüche und offenkundige Lügen.
Hinzu kommt, dass jeder, auch der "kleinste unterdrückte Knecht", sein Leben lebt und gar nicht verpflichtet ist, der einen oder anderen Ideologie zuzustimmen. Vielleicht lebt derjenige viel freier, der sich nicht geistig-seelisch vereinnahmen lässt, sondern sein eigenes Ding macht im Schatten dieses "Prunks der Machtfülle". Links oder Rechts, das sind alles nicht notwendig Fragen, die mich tangieren müssen. Von fern betrachtet, historisch, rückblickend, entkommt eh keine Gesellschaft der durch menschliche Instinkte erzwungenen Ungerechtigkeit durch Machthierarchien.
rudi hat geschrieben: ↑Mo 09 Dez, 2024 13:32
macaw hat geschrieben: ↑Mo 09 Dez, 2024 12:53
Mein Menschenbild ist halt ein anderes als das von Dir. Ich gehe davon aus, daß Deutschland, eines der aufgeklärtesten und (noch) modernsten Nationen der Erde überwiegend von ebenso reflektierten und mündigen Bürgern bewohnt ist, die im Jahr 2024 in der Lage sind sich eigenständig zu informieren und zwischen dem Abfall auf Twitter, Facebook und Co. und halbwegs neutralen Informationen anderswo zu unterscheiden.
Und mein Menschenbild ist, dass sich jeder Mensch prinzipiell sehr leicht manipulieren lässt, und dass es immer eine schlechte Idee ist, die Medien einem unkontrollierten, freien Markt zu überlassen, weil damit letztlich der am besten manipulieren kann, der es sich leisten kann. Und dass es in einem Markt schnell keine halbwegs neutrale Information mehr gibt, weil es sich einfach nicht "lohnt" diese anzubieten.
Wir leben, wie Yuval Noah Harari in seinem Buch
Nexus etwas binsenweise erklärt, im nur so genannten Informationszeitalter, das besser das Desinformationszeitalter hieße. Nichts Neues, sagt er. Die ersten "Bestseller" nach Erfindung des Buchdrucks waren keine Belletristik und auch keine Populärwissenschaft. Es waren das Macht- und Hassbuch
Die Bibel und
Der Hexenhammer. Heute ist es nur viel, viel schlimmer. Im Internet werden unsere Suchen gespeichert und unter Kontrolle weniger dystopischer Konzerne und Geheimdienste zu Informationsblasen geformt und per Algorithmus zurückgeschickt, unter Einsatz von K.I. Es geht überhaupt nicht darum, dir einen chinesischen Gimbal durch Amazon zu verkaufen, es geht darum, deine biologische Festplatte zu formatieren und künftig mit allem programmieren zu können, was gewünscht ist. Von wem? Tja, wenn man das wüsste. Vielleicht besser, man weiß es nicht und baut sich DIY eine "Firewall".
rudi hat geschrieben: ↑Mo 09 Dez, 2024 13:32
macaw hat geschrieben: ↑Mo 09 Dez, 2024 12:53
Das spiegelt sich ja im zunehmenden Bedeutungsverlust des TV im allgemeinen und dem ÖRR im übrigen wieder, denen das ja selbst bewusst ist - und das (damit das nicht vergessen wird) im teuersten ÖRR der Erde, von 1995-2023 stiegen die Einnahmen um 4,1 Milliarden auf mittlerweile 10 Milliarden Euro. Immer mehr Geld = immer weniger Wirkung. Das nennt man Erfolg.
Wie misst du die Wirkung? Es gibt keinen Preis für den "Erfolg" der ÖRR. In machen Bereichen ist ein freier Markt einfach kein sinnvolles Instrument, weil es keinen Preis für das Gut gibt. Drum lässt man den Markt auch nicht unser Gesundheitssystem regeln, weil ein Leben keinen definierbaren Preis hat.
Beispiel USA. Gehirnerweichung durch alternative Fakten hat Trump wieder an's Steuer gebracht. Der hat gar keine Antworten, nur Machthunger. Wie weit er entfernt ist von den tatsächlichen Bedürfnissen seiner Bürger zeigen die Reaktionen auf ein tödliches Attentat auf den CEO der größten Krankenversicherung der USA, die K.I. einsetzt, um 30 % aller Anträge auf Behandlung - unverhohlen zur Gewinnmaximierung - abzulehnen. Nahezu 100% aller Reaktionen darauf bekunden die Zustimmung zum Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung, das genaue Gegenteil von dem, was die Agenda 2025 verspricht. Nur die allergrößten Kälber wählen ihre Metzger selber.