GaToR-BN
Beiträge: 448

Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von GaToR-BN »

Hallo Filmemacher,

langsam kommt der Zeitpunkt, dass ich über einen längeren Zeitpunkt "mein Projekt und Thema" in einem Film festhalten möchte.

Mein Thema ist "Männer auf der Suche". Dabei möchte ich 3 - 5 Männer über einen Zeitraum von 1 - 2 Jahren begleiten und deren Momente der Entwicklung, Rückschläge und Erfolge festhalten. Dabei möchte ich mehr Zeuge sein, als Bewerter und trotzdem durch Storytelling eine Verdichtung hinbekommen.

Es soll also persönlich werden. Von Stil in der Richtung vom Sendeformat von 37°. Ich bin in diesen Kreisen seit mehreren Jahren unterwegs und denke, dass ich das Vertrauen aufbauen kann.

Meine Fragen an euch ist: Wie motiviere ich Protagonisten, an einem solchen Projekt teilzunehmen und langfristig dabei zu bleiben? Sie investieren im ersten Schritt Zeit und evtl. wird es dazu kommen, dass der eine oder andere das Ganze abbrechen wird, weil sich seine Situation verändert hat.

Ist es sinnvoll, den Personen von Anfang an eine Summe oder Beteiligung bei dem Verkauf und einer Veröffentlichung anzubieten (Vereinbarung vorher) oder beginnt man mit 6 - 7 Personen und hofft am Ende, dass man bei 2 - 3 Personen sich eine gute Geschichte entwickelt und zum Ende eine vollständige Freigabe von Ihnen bekommt?

Freue mich über euere Erfahrungen bei dem Thema Dokumentationen mit Menschen. Ich hätte wirklich Lust darauf, auch wenn ich befürchte von meinen eigenen Ansprüchen zu scheitern. Trotzdem möchte ich diese Reise gerne beginnen...

Grüße aus Bonn,

Martin
Zitat: Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre. – Robert Bresson –
Über mich



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

Rechtliches immer vorab (möglichst schriftlich) klären und offen sein. Im Nachhinein Freigaben zu bekommen ist oft schwierig und im schlimmsten Fall war Deine Arbeit dann umsonst.

Man ist dabei immer auch einer gewissen Ethik verpflichtet. Ich würde z. B. nichts veröffentlichen was jemand nicht möchte, selbst wenn ich eine Freigabe dafür hätte.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

GaToR-BN hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 10:53 Mein Thema ist "Männer auf der Suche".
Hochspannendes Thema! Allerdings fürchte ich, dass man damit echt keinen Blumentopf gewinnen kann. Das ist ein Thema, was in den Medien konsequent ignoriert wird, obwohl da vermutlich extrem viele Männer betroffen sind. Wer heute nicht homo, trans, inter oder sonstwas ist, sondern als ganz normaler Mann eine ganz normale Frau sucht, der hat praktisch die A-Karte gezogen. Dein Film würde vermutlich auch nur dann funktionieren, wenn auch die Frauen nach einem Date zu Worte kommen würden, und das werden die meisten nicht wollen. So bleiben dann nur die Kerle übrig, die sich selbst einen Reim darauf machen müssen, warum sie von den Frauen abgelehnt werden. Da kann aus meiner Sicht kein attraktiver Film rauskommen. Was soll denn die Botschaft sein? Dass Frauen auch mal denen eine Chance geben sollen, die nicht ganz oben auf ihrer Liste stehen? Oder dass die Männer zufrieden sein sollen, wenn sie überhaupt mal eine abkriegen, auch wenn die vielleicht strunzdoof und extrem übergewichtig ist?

Meine Vermutung: Du hast vor, einen Film zu drehen, der eigentlich dringend gedreht werden müsste, den man aber vermutlich nicht drehen kann.

Matthias (war auch sehr lange auf der Suche)
Filmemacher für besondere Aufgaben



GaToR-BN
Beiträge: 448

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von GaToR-BN »

Hallo Matthias,

danke für dein Feedback und Offenheit. Tatsächlich erkenne ich, dass es eigentlich häufig mehr, um die inneren Probleme gibt, wenn man in Kreisläufen oder seiner Entwicklung festhängt.

Dritte Personen würde dann nur am Rande eine Rolle spielen. Das macht den Film wahrscheinlich für den "normalen" Zuschauer noch uninteressanter.

Ich möchte versuchen, den Menschen hinter der Fassade sichtbar zu machen. Als Anreiz für andere Männer, die sich noch nicht auf "den Weg" gemacht haben.

Mein Investment ohne Zeit würde bei 10 - 15K (Fahrten, 2 bessere Kameras) liegen. Wirtschaftlich bin ich soweit abgesichert.

Eine Alternative wäre es, sich eine vorhandene Mediengeschichte rauszusuchen und hier sich auf Spurensuche zu machen. In dem Männerumfeld habe ich halt 6 Jahre Erfahrung und kennen einige Prozesse & Kreise.
Zitat: Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre. – Robert Bresson –
Über mich



dosaris
Beiträge: 1701

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von dosaris »

unabhängig vom Inhalt sehe ich bei derartigen Langzeit-Projekte eine große Gefahr des Scheiterns.

Man kann da ne Unmenge Aufwand u Kosten versenken.

Wenn man's dennoch durchziehen will sollte dies immer nur ein beiläufiges Projekt sein.

Wirklich dicke Meriten würde ich da nicht erwarten.

Auch wenn's noch so interessant für einen kleineren Rezipientenkreis sein mag.

Anders wäre es, wenn es keine festen Protagonisten gibt und man ggf aus Nebenbereichen auswählen kann



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Es ist ja auch die Frage, wie man sich das Ende vorstellt. Haben die Kerle dann immer noch keine Frau? Das lässt die Zuschauer ziemlich unbefriedigt zurück, und die Protagonisten haben das Gefühl, dass ihr Problem nicht lösbar ist. Wenn einer von denen dann doch mal Glück hat, muss man aufpassen, die anderen nicht als Verlierer dastehen zu lassen. Und kurz nach Fertigstellung des Projektes kann die Lage schon wieder ganz anders aussehen. So wie bei "First Dates", wo dann am Ende erwähnt wird, dass es im Alltag dann doch nicht so gepasst hat.

Ich meine, da muss vorab noch einiges an redaktionellen Vorüberlegungen stattfinden. Ansonsten halst er sich da ein Projekt auf, was ihn in den Wahnsinn treibt...

Matthias
Filmemacher für besondere Aufgaben



Drushba
Beiträge: 2513

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Drushba »

Langzeit-Projekte sind spannend und haben einen stabilen Festivalmarkt, wenn sie gut gemacht sind. Allerdings nicht im 37° Format, denn das ist - sorry to say - wertlose und poesiefreie TV-Consumer Kacke.)) Bei Dokfilm wird prinzipiell NIE bezahlt. Man dokumentiert und das muss auf einer freien Vereinbarung beruhen. Natürlich hilft man Protagonisten anders, vor allem im Nachgang (so habe ich einer russischen Protagonistin gerade geholfen die Stromrechnung zu bezahlen, obwohl der Dreh drei Jahre zurückliegt). Dadurch entstehen auch keine Verbindlichkeiten. Der gesamte Doku-Fake-Bereich ist natürlich bezahlt, darum verhalten sich die Darsteller auch gescripted, darin liegt auch der Unterschied zwischen autenthischem, festivalaffinen bzw. beobachtenden Dokfilm und TV-Gebrauchsvideo ("Doku"). ;-)
Lieber glaub ich Wissenschaftlern, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Drushba hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 12:55 Bei Dokfilm wird prinzipiell NIE bezahlt.
Was ja im Prinzip auch richtig ist. Schon um sicherzustellen, dass durch eine zu zahlende Gage nicht ein bestimmtes erwünschtes Verhalten praktiziert wird, welches nicht authentisch ist. Allerdings könnten die Protagonisten natürlich auch auf die Idee kommen, dass der Filmemacher ja damit viel Geld verdienen könnte, wenn er sie mit ihrem Schicksal begleitet. Also ein gewisses Konfliktpotenzial besteht da schon.

Ich habe vor rund 20 Jahren mal einen 45-Minüter über einen Verein gedreht, der sich mit historischen Schiffen beschäftigt. Da hat der Vorsitzende ganz klar gesagt, dass es schon sehr schön wäre, wenn ich dem Verein dann eine Spende überweisen würde, damit der Verein neben Publicity auch noch was davon hat und Kohle für die Dampfschiffe kaufen kann. Da das ein normal bezahlter TV-Auftrag war, hatte ich natürlich kein Problem damit, dem Verein 5.000 DM gegen Spendenbescheinigung rüberzuschieben.

Matthias
Filmemacher für besondere Aufgaben



GaToR-BN
Beiträge: 448

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von GaToR-BN »

Vielen Dank. Das sind gute Hinweise.

Wahrscheinlich wirklich ein Randthema, was man schwer unterbringen kann. Mir geht es nicht um Geld. Wäre nur schön, wenn das Projekt im Abschluss mal einen Platz fern von Youtube finden würde. Festivals finde ich selbst nicht so spannend und vielleicht wäre das ein gutes Lernfeld.
Zitat: Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre. – Robert Bresson –
Über mich



Frank Glencairn
Beiträge: 23155

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Frank Glencairn »

Drushba hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 12:55 Bei Dokfilm wird prinzipiell NIE bezahlt.
LOL- wieder eine deiner Maximal-Dogmen, mit denen du anderen irgendwelche künstlichen Korsetts überzustülpen versuchst.

Ob jemand seine Protagonisten bezahlt oder nicht, das ist jedem selbst überlassen - ich frage mich wirklich, warum du hier ständig irgendwelche Phantasie-Regeln für's Filmen aufstellen willst.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



acrossthewire
Beiträge: 943

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von acrossthewire »

Auch wenn Matthias das versucht hartnäckig zu implizieren, geht es bei dem Thema tatsächlich um Partnersuche oder ist es allgemeiner gedacht?
Be Yourself. Everyone else is already taken
Oscar Wilde



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Also für mich lag das total auf der Hand, wonach sollten die auch sonst auf der Suche sein. Und er hat ja auch nicht widersprochen. Vielleicht sind sie ja auch nur auf der Suche nach sich selbst...

Matthias
Filmemacher für besondere Aufgaben



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

Für mich war das nicht so klar, dass es dabei nur um die Partnersuche gehen sollte. Man kann ja nach allem möglichen suchen - dem Sinn des Lebens, Inspiration, einer Aufgabe/ Hobby usw.
Bei Dokfilm wird prinzipiell NIE bezahlt.


Deshalb nennt man es ja auch brotlose Kunst :) Aber mal Spaß beiseite. Ich finde schon das man seine Mitwirkenden für ihre Mühen entlohnen sollte. Schließlich opfern sie ihre Zeit und geben etwas von sich preis. Für die Krämerseelen die ihre Akteure umsonst vor der Kamera arbeiten lassen habe ich wenig Sympathien. Und das bedeutet auch nicht zwangläufig das man demjenigen vorgibt was er tun oder sagen soll. Und dann ist es im Zweifel eben kein Dok-Film, wenn das eine der Prämissen sein sollte.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



robbie
Beiträge: 1501

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von robbie »

Ob gezahlt wird oder nicht - ich habe schon beides erlebt. Es kommt meiner Meinung nach sehr auf das Zielformat bzw. das Zielmedium an. Ich meine damit, ob vielleicht eine Doku/Reportage schon einen Abnehmer hat. So wie Matthias geschrieben hat, 5000M für Kohlen rüberschieben - warum nicht.
Habe schon einiges erlebt. Bezahlte Interviews,...

Muss aber sagen, in den letzten 4 Jahren absolut kein einziger bezahlter Protagonist. Auch bei Themen rund um Corona, Impfen,... Hier ist es strickt verpönt von der Produktion, Protagonisten auch nur einen Cent zu zahlen. Nur zB Anreisekosten vom Protagonisten werden übernommen.

Ich empfinde das Format Doku oder Reportage soll eine wahre Begebenheit portraitieren. Schon alleine ein Filmteam ist hier ein Einfluss von außen. Deshalb wäre meine Meinung im Fall des Threaderstellers: Nein, für deine Reportage, zahle nicht. Warum? Der Protagonist bleibt seiner Geschichte treu. Du kommst nie dazu zu denken, er hat etwas nur gesagt/getan, weil er ja Geld dafür bekommt. Das selbe denkt sich sonst der Zuseher. Ich erwarte mir bei zB bei einer 3Sat Reportage, dass hier kein Geld geflossen ist. Ich erwarte es hingeben bei einer RTL-Reportage.
Schöne Grüße,
Robbie
---------------------------------------------------------
"Ein Problem ist halb gelöst, wenn es gut erklärt wurde"
---------------------------------------------------------
Zuletzt geändert von robbie am Di 22 Feb, 2022 19:10, insgesamt 1-mal geändert.



Bluboy
Beiträge: 4407

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Bluboy »

Wenn sich die Doku verkaufen läßt und der Pianist den Protagonisten ein Schärflein abgibt, darf er auch wiederkommen.
So Einfach ist es.



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

Bluboy hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 19:07 Wenn sich die Doku verkaufen läßt und der Pianist den Protagonisten ein Schärflein abgibt, darf er auch wiederkommen.
So Einfach ist es.
Eine Erfolgsbeteiligung ist aber keine angemessene Entlohnung, sondern ein Kuhhandel. Das unternehmerische Risiko trägt der Filmemacher/Produktion, nicht die Mitarbeiter oder Mitwirkenden. Auch wenn das in der Branche weit verbreitet scheint. Wo verläßt man sich sonst auf Versprechen? Ich versuche das mal bei der Bank... wenn es gut läuft, bekommen Sie ihr Geld wieder :)

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Frank Glencairn
Beiträge: 23155

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Frank Glencairn »

robbie hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 19:07

Muss aber sagen, in den letzten 4 Jahren absolut kein einziger bezahlter Protagonist. Auch bei Themen rund um Corona, Impfen,... Hier ist es strickt verpönt von der Produktion, Protagonisten auch nur einen Cent zu zahlen. Nur zB Anreisekosten vom Protagonisten werden übernommen.
So eine Piraten-Haltung finde ich ehrlich gesagt unter aller Kanone.

Womöglich bin ich da ja old school, aber wenn schon jemand einen Teil seiner Lebenszeit für mich und "mein Projekt" opfert, und seinen Kopf dafür die Kamera hält, ist es doch das mindeste Gebot des Anstandes, sich entsprechend erkenntlich zu zeigen - hat ja auch was mit Wertschätzung zu tun.

So einen menschlichen Mindeststandard als "strickt verpönt" anzusehen, und die Leute die was für mich machen dermaßen schamlos auszubeuten, halte ich für völlig indiskutabel.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

Es gibt schon Ausnahmen, z.B. im Journalismus, oder bei Nachrichten. Bei redaktionellen Beiträgen sind die Leute auch oft froh vor die Kamera zu dürfen, oder ihre Haltung und ihr Unternehmen darzustellen. Ich habe früher öfter mal Sachen für das Handelsblatt gemacht und da hat natürlich keiner der Manager irgendwie Geld bekommen.

Aber hier geht's ja um etwas ganz anderes. Bei einem Film steht es jedem frei auch kostenlos mitzuwirken, aber das zur Methode zu machen und andere Leute für die eigene Sache/Interessen auszunutzen ist eben nicht richtig.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Frank Glencairn
Beiträge: 23155

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Frank Glencairn »

Schon klar, aber so wie ich es verstanden habe ging's um Dokus, nicht um EB.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



Sammy D
Beiträge: 2270

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Sammy D »

Ihr müsst schon "Dok-Film" sagen, sonst nimmt Euch keiner ernst! :P



cantsin
Beiträge: 14300

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von cantsin »

Wenn der Dokumentarfilm ein journalistisches Format ist, sind (über Unkosten hinaus) bezahlte Protagonisten Scheckbuchjournalismus und daher keine saubere journalistisch-dokumentarische Praxis.



srone
Beiträge: 10474

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von srone »

ich würde ein "wir versuchen es" vorausschicken, dann hast du auch die richtigen protagonisten und später, wenn möglich, grosszügig und unerwartet entlohnen...;-)

lg

srone
ten thousand posts later...



Bluboy
Beiträge: 4407

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Bluboy »

Ganz Nebenbei
Jost Vacano kassiert 500000 Euro

https://www.abendzeitung-muenchen.de/mu ... art-794814



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

cantsin hat geschrieben: Di 22 Feb, 2022 22:40 Wenn der Dokumentarfilm ein journalistisches Format ist, sind (über Unkosten hinaus) bezahlte Protagonisten Scheckbuchjournalismus und daher keine saubere journalistisch-dokumentarische Praxis.
Das erinnert mich ein wenig an den Dok-Naturfilm aus dem Nachbarthread :) Journalismus ist eine Berichterstattung, im Wort selber steckt sogar das Wort 'täglich', auch wenn damit ganz allgemein eine periodisch publizistische Arbeit gemeint ist. Mit periodisch hat ein Dokumentarfilm aber nichts zu tun. Deshalb ist es auch kein Journalismus im weiteren Sinne.

Ich kann Drushbas Aversion gegen viele Fernsehformate schon verstehen, aber prinzipiell geht es ihm bei seinem Dok-Ansatz ja in erster Linie um Neutralität. Die ist aber auch nicht gegeben, wenn ich die Leute nicht bezahle und nur 'beobachte'. Denn schon alleine durch die Art der Beobachtung, kann ich Meinungen beeinflussen und selektieren. Und das auf jeder Ebene des Filmemachens, bis hin zum Schnitt. Ein Film ist immer eine subjektive Sicht der Dinge. Das liegt in seiner Natur. Diesem Dilemma kann man versuchen durch Neutralität und indem man sich der 'Ehrlichkeit' und einem bestimmten Verhaltenskodex verpflichtet möglichst entgegen zu wirken. Aber ganz gelingen wird es einem nie.

Und genauso ist der Umkehrschluß falsch, dass man Leute bezahlt um deren Meinung zu beeinflussen. Man bezaht sie für ihre Mühe, nicht für ihre Meinung. Aber natürlich kann man auch Geld mißbräuchlich einsetzen.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Ihr seht - die Ursprungsfrage war gar nicht schlecht, und es gibt viele Aspekte, die man dabei berücksichtigen muss. Möglicherweise untersagt der Auftraggeber auch irgendwelche Zahlungen, oder im umgekehrten Fall plant er sie vielleicht sogar ausdrücklich ein. Innerhalb dieses Dreiecksverhältnisses zwischen Auftraggeber, Filmemacher und Protagonisten muss man eben eine gangbare Lösung finden. Die absolute Grenzüberschreitung wäre es, wenn mit einer Geldzahlung eine bestimmte Äußerung oder ein bestimmtes Verhalten erkauft werden soll. Dann sind wir in einem fiktionalen Format angekommen, das wäre eine ganz andere Baustelle.

Es sollte daher über eine Aufwandsentschädigung nicht hinausgehen.

Matthias Köhler
Filmemacher für besondere Aufgaben



Darth Schneider
Beiträge: 19506

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Darth Schneider »

Das muss jeder Auftraggeber selber wissen.
Ich für meinen Teil wenn ich schon kein Geld habe, oder niemanden bezahlen darf, gebe ich wenigstens sonst was zurück, wenn jemand etwas macht für mich.
Einladen zum Mittag oder Abendessen oder ein paar Kinogutscheine, Pralinen, einfach Irgendwas..
Sollte doch eigentlich selbstverständlich sein.

Und das jetzt Meinungen von Menschen ständig gekauft werden sieht man ja auch ganz deutlich in der Politik und in der Wirtschaft…
Warum soll das jetzt bei den Medien und auch bei Dokumentationen gross anders sein ?

Es ist ja nicht so das all die Doku Filmemacher jetzt dem Jedi Orden angehören oder streng gläubige Buddhisten sind, und niemals Lügen verbreiten würden um selber ein wenig reicher und erfolgreicher zu werden ?
Ausgenommen solche wie Master Frank, der Pianist und Onkel Kluster natürlich…..;)
Gruss Boris
Alles vor und rund herum um die Kamera ist für einen guten Film viel, viel wichtiger als die Kamera selber.



Frank Glencairn
Beiträge: 23155

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Frank Glencairn »

Allein schon die reflexartige automatische Gleichsetzung von Bezahlung = Manipulation/Lüge, zeigt schon was in den Gehirnen von solchen Leuten vorgeht. Der naheliegende Ansatz: Bezahlung = Anstand kommt da erst gar nicht ins Spiel.

Das man auch Dokus drehen kann und seine Leute dabei entschädigen, ohne ihnen deshalb gleich irgend ne Agenda unterzujubeln scheint denen völlig unmöglich.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Es geht doch darum, wie es nach außen wirkt. "Nach außen" kann auch schon je nach Konstellation der Auftraggeber sein. Was soll der denn davon halten, wenn beispielsweise ein investigatives Filmteam Leuten Geld bieten muss, damit die was sagen? Damit entsteht doch sofort das Risiko, dass die Leute alles Mögliche behaupten, um sich interessant zu machen.

Matthias
Filmemacher für besondere Aufgaben



Bluboy
Beiträge: 4407

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Bluboy »

Das Thema spiel dabei auch eine große Rolle

Ansonsten schreibt heute T-Online treffend
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

@ Pianist

Eine Doku ist aber normalerweise nicht investigativ. Du redest jetzt wieder von Journalismus. Und wenn man investigativ arbeitet geht man ohnehin nicht neutral vor, sondern hat bereits einen Anfangsverdacht dem man nachgeht und bestätigen möchte, oder nicht. Auch handelt man dabei in der Regel gegen den Willen der Beteiligten und muss verdeckt arbeiten. Auch sind politische Themen selten neutral. Bei solchen Dingen sind die Voraussetzungen von Anfang an suboptimal.

Der Großteil der Dokumentarfilme muss aber nichts aufdecken, oder enthüllen. Er soll etwas dokumentieren.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Pianist
Beiträge: 8405

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Pianist »

Der Anspruch ist aber der gleiche: Die Leute sollen authentisch sein und nicht zu irgendwas überredet werden. Von daher: Eine Aufwandsentschädigung (sofern ein klar bezifferbarer Aufwand entstanden ist) dürfte in Ordnung gehen, mehr jedoch nicht. An sich muss zwischen den Leuten vor und hinter der Kamera eine chinesische Mauer verlaufen.

Matthias
Filmemacher für besondere Aufgaben



Frank Glencairn
Beiträge: 23155

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von Frank Glencairn »

Pianist hat geschrieben: Mi 23 Feb, 2022 10:32 Der Anspruch ist aber der gleiche: Die Leute sollen authentisch sein und nicht zu irgendwas überredet werden.
Wie ich oben schon sagte, echt gruslig was da in manchen Gehirnen so als Reflex abläuft.

Wieso glaubst du, daß wenn ich mich erkenntlich zeige dafür, daß jemanden seine Freizeit, die er ja immerhin für mich und mein Projekt verplempert, das dann automatisch bedeutet, daß ich ihn zu "irgendwas überrede"?

Man kann auch einfach anständig sein und die Leute nicht gnadenlos ausbeuten und ausnutzen.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



pillepalle
Beiträge: 8570

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von pillepalle »

@ Pianist

Natürlich sollen die Leute authentisch sein. Das möchte im Prinzip doch jeder, von schwarzen Schafen mal abgesehen. Aber in erster Linie hast Du selber ersteinmal Interesse daran, dass die Leute etwas vor Deiner Kamera erzählen, bzw. sich filmen lassen. Und Du bist auch der 'Profiteur' des ganzen, indem Du eine authentische und interessante Geschichte präsentieren kannst.

Man kann, wenn man es denn möchte, auch beides in Einklang bringen. Eine gute Bezahlung (nicht nur Fahrtkosten und ein Butterbrot) und Authentizität.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



GaToR-BN
Beiträge: 448

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von GaToR-BN »

Ich finde die Diskussion spannend und hilfreich.

Tatsächlich geht mir darum, den Entwicklungsprozess von Männern zu begleiten. Es geht nicht darum, die "richtige" Frau zu finden.

Ich habe diese Seminarreihe von 15 Monaten selbst mitgemacht und war danach Begleiter in einer neuen Gruppe. Ich würde aber nicht das Seminar zeigen wollen, sondern den Prozess der persönlichen Veränderung und den veränderten Umgang mit einem Selbst.

Häufig kommt der Impuls aus einer Krise (Job, Beziehung, Gesundheit, Tod der Eltern...). Vor einigen Jahren hätte ich damit aber auch nichts anfangen können. Wahrscheinlich deswegen wirklich Nischenthema.

Das Geld sollte nicht die Motivation für eine Teilnahme sein. Sonst wird es wirklich schräg. Mein Risiko ist, dass ich dann extrem viele Interviews mache und den roten Faden des Films verliere.
Zitat: Mach sichtbar, was vielleicht ohne dich nie wahrgenommen worden wäre. – Robert Bresson –
Über mich



miscetc
Beiträge: 35

Re: Protagonisten in Dokumentation einbinden, motivieren und honorieren

Beitrag von miscetc »

Frank Glencairn hat geschrieben: Mi 23 Feb, 2022 10:37
Pianist hat geschrieben: Mi 23 Feb, 2022 10:32 Der Anspruch ist aber der gleiche: Die Leute sollen authentisch sein und nicht zu irgendwas überredet werden.
Wie ich oben schon sagte, echt gruslig was da in manchen Gehirnen so als Reflex abläuft.
Man kann auch einfach anständig sein und die Leute nicht gnadenlos ausbeuten und ausnutzen.
Meine Güte, ganz großes Kino.

Inwiefern werden Protagonisten "gnadenlos ausgebeutet" wenn sie freiwillig an einer Doku teilnehmen? Das musst du näher erklären. Ist ja nicht so dass man sie zwingt für 10 Cent in Xinjang 7 Tage die Woche Laptops zusammenzuschrauben. Dass manch einer vielleicht froh ist dadurch seine Geschichte/Erlebnisse mit einem Publikum teilen zu können oder auf etwas aufmerksam zu machen, scheint dir nicht in den Sinn zu kommen. Auf Arte ist momentan z.B. eine sehr gute Doku zu Wirecard abrufbar, in der der ehemalige Mitarbeiter und Whistleblower davon erzählt wie er und seine Mutter mehrere Monate unter Todesangst lebten weil klar wurde dass Marsalek und Kumpanen ihn beseitigen wollten.



 Aktuelle Beiträge [alle Foren]
 
» Canon öffnet RF-Mount - Erste Objektive von Sigma (18-50 mm f/2.8) und Tamron (11-20 mm f/2,8)
von cantsin - Di 23:44
» Was schaust Du gerade?
von klusterdegenerierung - Di 23:33
» DaVinci Resolve 19: Die neuen Funktionen ausführlich erklärt
von freezer - Di 23:22
» Resolve-Mac, 5000€
von Skeptiker - Di 23:18
» AMDs Notebook APU Strix Halo - besser als Apples M3 Pro Chip?
von cantsin - Di 22:48
» Panasonic S5 - Allgemeine Fragen, Tipps und Tricks, Zeig deine Bilder/Videos usw.
von cantsin - Di 20:31
» Audition CS6 > Arbeitsbereich aus Versehen gelöscht
von Herbie - Di 20:15
» Retention Video Editing ist tot
von cantsin - Di 19:55
» Musikvideo Floridas Klaus "Che Guevara"
von MK - Di 18:37
» Realistischer und mehr Details - Adobe Firefly Image 3 Model für Web und Photoshop
von slashCAM - Di 14:48
» Adobe Firefly KI jetzt auch mobil in neuer Express App verfügbar
von slashCAM - Di 14:15
» Z Cam E2G, E2C, E2-6F, E2-S6, E2-F8
von Clemens Schiesko - Di 13:45
» Canon öffnet RF-Mount - aber nur für APS-C
von stip - Di 10:10
» Linsen (Vintage, Anamorphic & Co.)
von Frank Glencairn - Di 9:35
» Cannes 2024
von 7River - Di 9:28
» Blackmagic PYXIS 6K: Die Vollformat „Box“-Kamera mit Viewfinder, 2x SDI, Sideplates (!) uvm.
von Frank Glencairn - Di 9:24
» Woody Allen: Coup de Chance (ab Herbst 2023, Venedig)
von Skeptiker - Di 8:19
» Apple Vision Pro: Verkaufsstart (USA) ab Februar für 3.499,- Dollar + neuer Werbeclip
von Darth Schneider - Di 6:10
» Panasonic HC X2000 und Rode
von rush - Mo 21:02
» Meine erste Kritik in Filmthreat :-)
von Frank Glencairn - Mo 15:15
» SmallRig: Creators Toolkit
von Darth Schneider - Mo 15:13
» Bullet Time Setup aus 75 DSLRs :)
von LarsS - Mo 12:49
» Dehancer Pro - Filmsimulation auf höchstem Niveau
von MK - Mo 12:12
» Kostenlose Motion Cam App ermöglicht erstmals CinemaDNG RAW-Videoaufnahme auf Smartphones
von cantsin - Mo 9:39
» Air2S Problem Speicherkarte
von Jott - Mo 9:34
» Was hörst Du gerade?
von klusterdegenerierung - Mo 1:00
» Was hast Du zuletzt gekauft?
von Darth Schneider - So 19:24
» CyberLink PowerDirector: Noch mehr integrierte KI-Effekte für Video
von medienonkel - So 18:40
» Anfänger im Schnitt Stunden- bzw. Tageshonorar Beteiligung am Gewinn
von Bergspetzl - So 18:17
» AOCs neue Preisbrecher-Monitore für Bildverarbeitung
von cantsin - So 17:51
» Tilta Khronos Zubehör-System fürs iPhone 15 Pro
von iasi - So 16:17
» Ärger mit Micro Sandisk extr Pro
von macaw - So 0:15
» Nach 7 Jahren mit der OG BMPCC finde ich das Bild noch immer schön.
von roki100 - So 0:04
» Tieraufnahmen mit dem MKE600 + H1 Essential rauschen
von soulbrother - Sa 22:53
» AJA kündigt zahlreiche Produkt-Updates mit neuen Funktionen an
von medienonkel - Sa 19:26