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Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?



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pillepalle
Beiträge: 8414

Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

Ich hab' mal eine etwas allgemeinere Frage. So langsam scheint sich mein kleines Dokumentarfilmprojekt für dieses Jahr zu konkretisieren und ich stehe vor der Frage wie ich den Film strukturieren soll, bzw welche Möglichkeiten es überhaupt in dem Genre gibt und gängig sind. In meinem Fall geht es darum eine ethnische Minderheit die portraitiert werden soll. Also werde ich vermutlich mehrere Protagonisten mit der Kamera begleiten. Nur wird das ganze nicht darauf hinaus laufen das sie irgend ein Ziel erreichen, sondern eher aus Alltagsszenen bestehen. Natürlich versucht man sich besondere Momente und Dinge heraus zu suchen, die für den Zuschauer von Interesse sein können, aber ich bin mir noch nicht sicher, wie man dann die einzelnen 'Geschichten' zusammen bringen soll. Vielleicht gibt es ja auch ganz andere Möglichkeiten der Herangehensweise.

Deshalb wollte ich fragen ob ihr gute Quellen zu dem Thema Dokumentarfilm kennt (Links, Bücher ect) die sich vor allem mit dem Aufbau und der Struktur eines Film beschäftigen. Würde gerne halbwegs Planvoll arbeiten und nicht wild drauf los drehen :)

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Alf_300
Beiträge: 8011

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Alf_300 »

irgendwie klingt das nach NTV Ausladsreport.



Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

pillepalle hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 19:29 ... geht es darum eine ethnische Minderheit die portraitiert
natürlch, was sonst?

Es gibt kaum noch ne Doku, die nicht auf irgendeiner Minderheit Trittbrett fährt - sicheres Ticket für Festivals - gratuliere.


Anyway, ich würde dir die "Tales by Light" Serie auf Netflix empfehlen, ist wirklich außerordentlich gut gemacht.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



cantsin
Beiträge: 14145

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von cantsin »



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

Zunächst mal würde ich mich von Truthern fernhalten, die Dokumentarfilm mit "Doku" verwechseln.)
Lieber glaub ich Wissenschaftlern, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.



Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

Und von Leuten, die nicht schnallen was ne Abkürzung ist
Sapere aude - de omnibus dubitandum



pillepalle
Beiträge: 8414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

Ja, danke schon mal für's Feedback. Hatte auch schon ein paar Bücher gegoogelt, aber dachte es gäbe vielleicht jemanden der auch eins gelesen hat und empfehlen könnte. Sonst hole ich mir ein paar auf Verdacht. Man findet im Netz meist nur Ratschläge zur technischen Umsetzung, aber seltener zu den Konzepten.

Vieles lässt sich eh nicht genau planen, da es ja auch ein wenig von den Protagonisten abhängt wie sich der Film entwickelt, aber ein Grundgerüst wie man das ganze aufbauen möchte, wäre sicher nutzlich, auch wenn man sein Konzept nacher vielleicht dann doch ändern muss.

VG
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Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

Also wir überlassen eigentlich nie was dem Zufall - gerade bei ner Doku ist Planung alles, sonst verlierst du viel zu viel Zeit am Set, bekommst nicht das Metrial, das du brauchst, und beißt dich im Schneideraum in den Arsch, weil die Hoffnung, daß bei Dreh irgendwie permanent Wunder geschehen, und man auf diese ganz tollen Begebenheiten nur drauf halten muß, sich dann doch irgendwie nicht erfüllt hat.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

pillepalle hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 19:29 Ich hab' mal eine etwas allgemeinere Frage. So langsam scheint sich mein kleines Dokumentarfilmprojekt für dieses Jahr zu konkretisieren und ich stehe vor der Frage wie ich den Film strukturieren soll, bzw welche Möglichkeiten es überhaupt in dem Genre gibt und gängig sind. In meinem Fall geht es darum eine ethnische Minderheit die portraitiert werden soll. Also werde ich vermutlich mehrere Protagonisten mit der Kamera begleiten. Nur wird das ganze nicht darauf hinaus laufen das sie irgend ein Ziel erreichen, sondern eher aus Alltagsszenen bestehen. Natürlich versucht man sich besondere Momente und Dinge heraus zu suchen, die für den Zuschauer von Interesse sein können, aber ich bin mir noch nicht sicher, wie man dann die einzelnen 'Geschichten' zusammen bringen soll. Vielleicht gibt es ja auch ganz andere Möglichkeiten der Herangehensweise.

Deshalb wollte ich fragen ob ihr gute Quellen zu dem Thema Dokumentarfilm kennt (Links, Bücher ect) die sich vor allem mit dem Aufbau und der Struktur eines Film beschäftigen. Würde gerne halbwegs Planvoll arbeiten und nicht wild drauf los drehen :)

VG
So, hab Dir jetzt mal etwas zuammengeschrieben, was Dir hoffentlich zur Erstorientierung hilft. Ich hatte das auf vier jahre Filmhochschule verteilt, aber ich denke, es geht auch kürzer):

Dokfilm (nicht:"Doku") ist eine feine Gradwanderung zwischen Wahrheit und Wahrheitsmontage. Auch keine Angst vor den abfälligen Bemerkungen von VTlern und Truthern. Diese setzen gerne Unwahrheiten in die Welt, Dokfilm beabsichtigt das exakte Gegenteil. Sämtliche Entwwicklungen des Dokfilm sind stets daran gemessen worden, ob sie ein Maximum an Wahrheit erkennen lassen oder - im Gegenteil- maximal manipulativ sind. Kurze Faustformel: Die billigste Form und eigentlich kein Dokumentarfilm ist das Drüberlabern über Material. das findet sich in "Dokus". Es ist deswegen kein Dokfilm im klassischen Sinne, weil nicht die Suche nach der Wahrheit des Augenblicks im Vordergrund steht, sondern die journalistische Message, das zurechtbiegen der Wirklichkeit. Beobachtest Du hingegen über Bilder, lässt die Protagonisten untereinander sprechen und arbeitest mit starken, poetischen Bildern, dann ist die Grundlage zum Dokfilm gegeben. Dann ensteht Spannung durch Nähe. Je näher Du Deinen Protagonisten bist, desto unspektakulärer können die spannenden Elemente sein.

Zur Einarbeitung: Die ersten Entwicklungsschritte des anspruchsvollen Dokumentarfilms wurden Dsiga Wertow unternommen, der den Dokumentarfilm in den Zwanzigern als "Nichtspielfilm" klassifizierte und im Grunde als künstlerisches Genre erfand. Er betrachtete das Kameraauge und die Montagetechnik als eine Art Vergrößerungsglas für die Wirklichkeit. Mit seinen Texten und Filmen würde ich anfangen und wirken lassen, sie sind immer noch faszinierend anzusehen.
https://www.google.com/search?client=fi ... 0&bih=1046


Wichtig wäre dann einen Film der "Neuen Sachlichkeit" zu sehen, das war die deutsche Antwort darauf, mit Walter Ruttmann als bedeutendster Vertreter. Ihm war es wichtig, unbeobachtet Aufnahmen und - von Wertov inspiriert - rhythmische Schnitte zu machen, ähnlich einer Sinfonie. Aber: Sein Blick ist eher ein Draufblick als ein Einblick und fängt sich deshalb gleich eine Rüge vom bedeutendsten Filmkritiker der Zeit ein, Sigfried Karacauer. Zitat Wikipedia: "Siegfried Kracauer kritisierte die Oberflächlichkeit und die damit einhergehende soziale Blindheit des Films: „Während etwa in den großen russischen Filmen Säulen, Häuser, Plätze in ihrer menschlichen Bedeutung unerhört scharf klargestellt werden, reihen sich hier Fetzen aneinander, von denen keiner errät, warum sie eigentlich vorhanden sind.“

https://www.google.com/search?client=fi ... 0&bih=1046


Und in diesem von Siegfried Kracauer beschriebenen Urkonflikt verinnbildlicht hast Du schon die Richtung eines guten Dokfilms: Keine Draufsicht sondern Einsicht. Dabei ist es bis heute geblieben. Während TV-"Dokus" immer einen Sprecher benötigen und in ihrer Draufsicht im Grunde völlig beliebig sind, kommt ein guter Dokumentarfilm ohne Sprecher aus. Das schaffte er, weil er sich den Protagonisten nähert, in großen und kleinen Momenten.

Die nächsten bedeutenden Vertreter der Entwicklung des Dokfilms sind Cinema Verité und Direct Cinema. Hier werden zwei völlig unterschiedliche Ansätze deutlich: Im Cinéma Verité wird der Filmemacher offensiv und provokativ in die Beobachtung teilweise mit eingebaut, um dokumentarische Momente zu provozieren. https://de.wikipedia.org/wiki/Cin%C3%A9 ... 9rit%C3%A9
https://www.google.com/search?client=fi ... 0&bih=1046

Im Direct Cinéma hält sich der Filmemacher zurück - wie eine "fly on the wall", mit dem selben Ziel, dokumentarische Momente zu erhaschen. Er beobachtet, meist dynamisch, meist mit Handkamera, meist aus verschiedneen Perspektiven. Das funktionierte so gut, daß die Filme oft Kinoauswertungen erhielten und sogar von den Machern von "Dogma 95" als Vorlage für szenischen Spielfilm herangezogen wurden. Hier bitte einige Texte lesen und Dokfilme online schauen.

Kleine Einführung: https://www.google.com/search?client=fi ... 0&bih=1046

Kurioserweise beeinflusste Cinema verité zahlreiche TV-"Dokus", während Macher des anspruchsvollen Dokfilm nach wie vor die zurückhaltende Beobachtung vorziehen.

Es gibt einen Spielart des Dokfilms, welcher davon lebt, daß ein Sprecher seine eigenen Erlebnisse verarbeitet oder seine Gedanken zu Ereignissen schildert: Das ist der Essayistische Dokumentarfilm. Einer der bedeutendsten Verteter ist Chris Marker. Obwohl Chris Marker Franzose war, hielt der Stil vor allem in den USA Einzug ins Dokfilmschaffen. Eine frühe Form von Youtuben quasi). Auch der essayistische Dokfilm ging in simpleren US- Fernseh "Dokus" auf, die damit gleich zwei französische Einflüssen unterliegen))
Hier eine etwas ältere Arbeit mit langen Sequenzen (immer noch wichtiges Stilelement beim heutigen "poetischen bzw. beobachtenden Dokumentarfilm):

Das wäre die wichtigste Grundlagenbildung auf die Schnelle. Daneben wäre es wichtig, die wichtigsten Strömungen ab dem zweiten Weltkrieg zu verfolgen. Namentlich der sowjetische und osteuropäische Dokumentarfilm, da hier durch Zeigen der nackten Wirklichkeit Regimekritik betrieben werden konnte und dies natürlich viele Künstler anspornte, was zu herausragenden und heute noch sehenswerten Ergebnissen führte. Einfach anschauen und sich inspirieren lassen).



Dann, quasi für Einserschüler, die Beschäftigung mit dem poetischen und naturalistischen Dokumentarfilm, namentlich dem Skandinavischen. Wenn Du das machst und auch ein paar Texte dazu liest, hast Du eine hervorragende Grundlage.

Im nächsten Schritt würde ich mir auf Dokflmfestivals anschauen, was derzeit gängig ist. Du wirst viel Spielarten aus obigen Beispielen wiedererkennen, namentlich unter den Preisgewinnern.
Eines der ebsten Dokfestivals in Deutschland ist das Dok Leipzig, eines der besten der Welt das IDFA in Amsterdam. Hier eine Dauerkarte kaufen und drei Tage lang die neuesten Filme rauf und runscherschauen. Die dort gezeigten Filme sind durch eine sehr strenge Vorauswahl gegangen und haben meist eine extrem gute künstlerische Qualität. Auf den Panels werden auch viele Fragen diskutiert, das ist spannend und betrifft doch immer wieder den gleichen Kern: Was ist Wahrheit und wie kann sie dargestellt werden.

In der letzten Zeit hat sich eine poetische, zurückhaltende Betrachtung als Stil durchgesetzt. Diese ist zugleich massenkompatibel. Ob man sie gut findet, ist Einstellungssache, vor allem, weil es quasi einen Dramaturgiezwang gibt.

Und keine Angst vor Netflix: Netflix schlägt die Brücke zu Dokfilmfestivals, weil es einen zunehmenden Durst der Zuschauer nach Wahrhaftigkeit gibt. Deswegen sind schon einige Sundance-Gewinnerfilme übernommen worden, mit sich ausweitender Tendenz der Ankäufe...
Lieber glaub ich Wissenschaftlern, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.
Zuletzt geändert von Drushba am Mo 18 Mär, 2019 23:24, insgesamt 2-mal geändert.



srone
Beiträge: 10474

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von srone »

Drushba hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 22:56 Es gibt einen Spielart des Dokfilms, welcher davon lebt, daß ein Sprecher seine eigenen Erlebnisse verarbeitet oder seine Gedanken zu Ereignissen schildert: Das ist der Esayistische Dokumentarfilm. Einer der bedeutendsten Verteter ist Chris Marker. Obwohl Chris Marker Franzose war, hielt der Stil vor allem in den USA Einzug ins Dokfilmschaffen. Eine frühe Form von Youtuben quasi). Auch der essayistsiche Dokfilm ging in simpleren US- Fernseh "Dokus" auf, die damit gelich zwei französische Einflüssen unterliegen))
den würde ich allerdings eher im kunst kontext einordnen.

lg

srone
ten thousand posts later...



sergejpepper
Beiträge: 143

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von sergejpepper »

Hallo Pillepalle,

ich arbeite als Regisseur und Autor öfters an Dokfilmen fürs TV,
beschäftige mich aber schon seit Jahren mit dem Thema (Kino-)Dokumentarfilm.

Eines der schönsten Bücher, die ich Dir empfehlen möchte ist
Thomas Schadts "Das Gefühl des Augenblicks" - darin erfährst Du alles über die Dramaturgie des Dokumentarfilms und das in sehr ansprechender und gewitzter Weise.

Hier noch ein paar andere Ideen:

Wie würdest Du Deinen Film am liebsten strukturieren?

Überleg Dir vielleicht 5 bis 6 Sequenzen, die Deine ethnische Minderheit am besten filmisch charakterisieren kann.

Wenn der Film spannend und stimmig werden soll, brauchst Du auf jeden Fall ein Thema und eine gute Frage, der Du nachgehen willst.

Ethnische Minderheit ist da noch etwas zu allgemein, finde ich.

Willst Du vielleicht Deine eigene Rolle mit in den Film nehmen und Dein Anliegen zum Thema machen, an dem Du scheitern kannst?

Bastele selbst eine Dramaturgie und match Dich mit einem erfahrenen Dramaturgen,
der den Feinschliff macht.

Oder tüftele dran rum und tausch Dich gern nochmal hier aus!

Ansprechend fände ich eine Parallel-Montage mit Sequenzen, in denen zu sehen ist, wie das jeweils "die Deutschen" machen.

Es grüßt Dich
Christoph
Und... Bitte!



cantsin
Beiträge: 14145

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von cantsin »

Drushba hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 22:56 So, hab Dir jetzt mal etwas zuammengeschrieben, was Dir hoffentlich zur Erstorientierung hilft. Ich hatte das auf vier jahre Filmhochschule verteilt, aber ich denke, es geht auch kürzer):
Ich würde da noch D.A. Pennebaker, Barbara Kopple, Frederick Wiseman, Errol Morris und sehr aktuell Joshua Oppenheimer und deren Arbeitsmethoden ansehen, in Deutschland Volker Koepp, Lutz Dammbeck und vielleicht auch das Langzeit-Dokumentarfilmprojekt "Berlin Ecke Bundesplatz".

Und gerade auch die Dokumentarfilme, die Martin Scorsese und Werner Herzog gedreht haben.



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

sergejpepper hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:22
Thomas Schadts "Das Gefühl des Augenblicks" - darin erfährst Du alles über die Dramaturgie des Dokumentarfilms und das in sehr ansprechender und gewitzter Weise.

Wie bitte???

Wenn Du Dir Dein Stil von vorneherein verderben willst und auf AKA Ludwigsburg Niveau absteigen willst, dann lies Thomas Schadt)). Schadt ist in meinen Augen ein Schaumschläger, der das Prinzip Wahrhaftigkeit nicht verstanden hat und alles an wüstester Montage und Ungenauigkeit irgendwie ok findet. Perfekte Grundausbildung für Youtuber, VTler und Truther)

PS: Diese Krankheit sich im Vorhinein einen Dokumentarfilm(!) dramaturgisch gliedern zu wollen, das ist echtes TV-Niveau und zeigt letztlich die Bereitschaft, Wirklichkeit von vorneherein so zu verbiegen, bis in einen Pitch vor Redakteuren passt.

Das Erste, was ein Novize lernen sollte, ist das Empfinden von filmischer Wirkung, von Dokfilm überhaupt. Die Empfindsamkeit und Sensibilität sind entscheidende Eigenschaften, die den guten vom schlechten Dokfilmer unterscheidet. Das Sehen können, das Auge entwickeln, nenne es wie Du willst! Und exakt das, was Thomas Schadt sehr oft abgeht. Dramaturgen gehören IMHO erst in den Schneideraum (jeder gute Cutter ist ein Dramaturg) oder auf den Müllhaufen der neueren TV-Geschichte.)

Gute Dokfilme laufen zudem eher auf Festivals und nicht im TV - auch wenn das TV sozialwirksamer bei Kaffeekränzchen mit den Schwiegereltern ist. Falls das alles nichts hilft, etwas Insidererfahrung: Festivals rechnen sich monetär sogar besser.)
Lieber glaub ich Wissenschaftlern, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.
Zuletzt geändert von Drushba am Mo 18 Mär, 2019 23:46, insgesamt 2-mal geändert.



Funless
Beiträge: 5484

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Funless »

Ohne den Thread jetzt kapern zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit die Experten fragen wie es sich bei dem Dokumentarfilm(?) Some Kind Of Monster verhält (sofern euch überhaupt bekannt). Zu welcher Sparte würde man den denn zuordnen? Dokumentarfilm? Dokfilm? Doku? Ich frage, weil mir persönlich der Film sehr gefallen hat (bzw. nach wie vor gefällt) und ich mir immer dachte, dass wenn ich jemals einen Dokumentarfilm machen würde, ich diesen genauso machen wollen würde.

Wie gesagt, ich will nicht OT werden, falls doch dann sorry.
Funless has spoken!

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sergejpepper
Beiträge: 143

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von sergejpepper »

Drushba hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:30 Wenn Du Dir Dein Stil von vorneherein verderben willst und auf AKA Ludwigsburg Niveau absteigen willst, dann lies Thomas Schadt)). Schadt ist in meinen Augen ein Schaumschläger, der das Prinzip Wahrhaftigkeit nicht verstanden hat und alles an wüstester Montage und Ungenauigkeit irgendwie ok findet.
Ich kenne Schadts filmisches Schaffen leider nicht (oder nur ungenügend),
aber ich kenne sehr, sehr viele Bücher über Dokumentarfilm -
und Schadts Buch gehört zu den besten!
Vor allem für interessierte Einsteiger.
Gruß,
C.
Und... Bitte!



pillepalle
Beiträge: 8414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

Wow! Danke für die Ausführliche Antwort, Drushba. Hat ja fast Vorlesungscharakter :) Hab da wohl noch einiges nachzuholen. Das Festival in Amsterdam kommt für mich leider etwas zu spät (ist ja erst im November), aber die von Dir verlinkten Stile und Filme klingen sehr spannend.

Läßt mich doch nochmal über ein paar Dinge nachdenken. Hatte z.B. ursprünglich schon einen Sprecher eingeplant, aber Du hast schon Recht - ohne wäre eigentlich besser. Ich weiß nur noch nicht wie sich dann dem Zuschauer bestimmte Situationen erklären. Der ist ja in der Regel überhaupt nicht im Thema und kennt auch die Vorgeschichten bzw. Umstände nicht. Wenn man nur mit Bildern und Musik arbeitet bleibt es immer recht vage und bietet mehr Freiraum für die eigene Interpretation. Aber mir schwebte schon auch eher ein poetischer Film vor. Bin mir nur noch nicht sicher wie viel Poesie sich im Alltag dann tatsächlich finden läßt :)

Ich habe zwar kein Netflix Abo, aber ich frag mal im Freundeskreis rum... da findet sich bestimmt jemand den ich mal zu einem Filmabend nötigen kann. Tatsächlich habe ich gar nicht mehr soviel Zeit. Nächste Woche gibt's hoffentlich das letzte Ok und in spätestens einem Monat sollte ich dann loslegen. Hatte ehrlich gesagt gar nicht mehr damit gerechnet das es noch klappt und mir deshalb auch gar keine Gedanken dazu gemacht.

Danke auch für den Buchtip sergejpepper. Werde ich mir morgen bestellen. Auch die Idee mit der Parallelmontage ist interessant. Muss nochmal schauen ob das in meinem Fall funktionieren kann. Ursprünglich wollte ich schon verschiedene Aspekte ihres Lebens dokumentieren... kulturelle, soziale, religiöse usw.

Ihr habt mir jeden Fall schon mal ein paar gute Denkanstöße gegeben.

VG
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dienstag_01
Beiträge: 13414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von dienstag_01 »

Funless hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:41 Ohne den Thread jetzt kapern zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit die Experten fragen wie es sich bei dem Dokumentarfilm(?) Some Kind Of Monster verhält (sofern euch überhaupt bekannt). Zu welcher Sparte würde man den denn zuordnen? Dokumentarfilm? Dokfilm? Doku? Ich frage, weil mir persönlich der Film sehr gefallen hat (bzw. nach wie vor gefällt) und ich mir immer dachte, dass wenn ich jemals einen Dokumentarfilm machen würde, ich diesen genauso machen wollen würde.

Wie gesagt, ich will nicht OT werden, falls doch dann sorry.
Band, Album, poetische Bilder, Poesie -> Poesiealbum
keen Dokumentarfilm ;)



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

sergejpepper hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:51
Drushba hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:30 Wenn Du Dir Dein Stil von vorneherein verderben willst und auf AKA Ludwigsburg Niveau absteigen willst, dann lies Thomas Schadt)). Schadt ist in meinen Augen ein Schaumschläger, der das Prinzip Wahrhaftigkeit nicht verstanden hat und alles an wüstester Montage und Ungenauigkeit irgendwie ok findet.
Ich kenne Schadts filmisches Schaffen leider nicht (oder nur ungenügend),
aber ich kenne sehr, sehr viele Bücher über Dokumentarfilm -
und Schadts Buch gehört zu den besten!
Vor allem für interessierte Einsteiger.
Gruß,
C.
Es ist IMHO immer besser zuerst Dokfilme zu sehen und empfinden zu lernen, als Bücher darüber zu lesen. Die signifikante Theorie besteht meist aus Aufsätzen von Filmschaffenden, die oft nicht die Zeit hatten, überlange Bücher zu schreiben. Das Wichtigste wurde bereits vor 1970 niedergeschrieben, von Russen, Amerikanern, Franzosen. Auch hier lieber die Originale bzw. Übersetzungen lesen. Danach wiederholte oder verdehte und verwässerte sich alles (z.B. Thomas Schadt). Hierzu noch ein Gedanke: Schadt will nichts und deshalb kann er auch nicht unterscheiden. Umgekehrt wollte ein osteuropäischer Dokfilmer, der unter persönlicher Gefahr das Nichtfunktionieren des Staates mit poetischen Bildern entlarven wollte, etwas und arbeitet präzise, kraftvoll und der Zensur gegenüber argumentativ sauber - sonst wäre er als feindlicher Propagandist im Knast gelandet. Chris Marker oder Haroun Fraoki, die im Westen über den Vietnamkrieg arbeiteten, wollten ebenfalls etwas und schufen kraftvolle Filme. Thomas Schadt als typischer Repräsentant eines bürgerlichen Zeitvertreib-Dokfilmschaffens, lässt nicht erkennen, dass er je etwas wollte. Darum hat er auch keine Haltung entwickelt, die mit dem Grundanliegen des Dokumentarfilms - unter sich weiter entwickelnder Erzähltechnik so eng wie möglich an der Wahrheit zu bleiben - vereinbar wäre.
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Zuletzt geändert von Drushba am Di 19 Mär, 2019 00:12, insgesamt 1-mal geändert.



Funless
Beiträge: 5484

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Funless »

dienstag_01 hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 00:04
Funless hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:41 Ohne den Thread jetzt kapern zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit die Experten fragen wie es sich bei dem Dokumentarfilm(?) Some Kind Of Monster verhält (sofern euch überhaupt bekannt). Zu welcher Sparte würde man den denn zuordnen? Dokumentarfilm? Dokfilm? Doku? Ich frage, weil mir persönlich der Film sehr gefallen hat (bzw. nach wie vor gefällt) und ich mir immer dachte, dass wenn ich jemals einen Dokumentarfilm machen würde, ich diesen genauso machen wollen würde.

Wie gesagt, ich will nicht OT werden, falls doch dann sorry.
Band, Album, poetische Bilder, Poesie -> Poesiealbum
keen Dokumentarfilm ;)
In den ganzen 141 Minuten des Films habe ich jedoch kein einziges Bild als poetisch gesehen. Aber vielleicht hast du ja mehr in den Bildern des Films gesehen gesehen als ich.
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dienstag_01
Beiträge: 13414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von dienstag_01 »

Funless hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 00:12
dienstag_01 hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 00:04
Band, Album, poetische Bilder, Poesie -> Poesiealbum
keen Dokumentarfilm ;)
In den ganzen 141 Minuten des Films habe ich jedoch kein einziges Bild als poetisch gesehen. Aber vielleicht hast du ja mehr in den Bildern des Films gesehen gesehen als ich.
Ah, sorry, ich hab den gar nicht gesehen. Aber wir wissen doch, dass ein Dokumentarfilm poetisch sein muss. Sonst ist er doch keiner ;)



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

Funless hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:41 Ohne den Thread jetzt kapern zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit die Experten fragen wie es sich bei dem Dokumentarfilm(?) Some Kind Of Monster verhält (sofern euch überhaupt bekannt). Zu welcher Sparte würde man den denn zuordnen? Dokumentarfilm? Dokfilm? Doku? Ich frage, weil mir persönlich der Film sehr gefallen hat (bzw. nach wie vor gefällt) und ich mir immer dachte, dass wenn ich jemals einen Dokumentarfilm machen würde, ich diesen genauso machen wollen würde.

Wie gesagt, ich will nicht OT werden, falls doch dann sorry.

Normalerweise sollte man nicht über Filme sprechen, die man nicht gesehen hat - alte Regel). Hab ich auch nicht, aber eben mal reingeschaut und für mich sieht er aus wie ein typischer Stilmix, der auf Masse ausgelegt ist (was aber nicht schlecht sein muss) und wie er auch heute noch gängig ist. Beobachtende Elemente im Direct Cinema Stil, dann Interviews mit direkter Ansprache (Fragen rausgeschnitten, naja) und entlange einer Zeitachse erzählt mit klarem Anfang und Ende. Solche Filme über berühmte Leute sind meist Special Interest für Millionen Fans und unterliegen von vorneherein einem Auswertungsinteresse. Inwieweit daher Dekonstruktion stattfindet (was sich bei Stars ja anbieten würde), kann ich nicht sagen. Aber was ich sehe, hat den Charakter einer handwerklich soliden dokumentarischen Unterhaltungs-Erzählung (und vermutlich mit wenig echter Nähe, die hinter die psychologischen Fassaden der Stars blickt). Würde ihn mir gern mal anschauen, da ich eh alles von Metallica hatte).


PS: Eine kleine dokumentarische Perle, ein Amateurvideo mit >500000 Klicks. Ohne Dramaturgie, ohne Strukturierung, einfach nur bei einem kurzen Abschnitt des Lebens dabei gewesen. -> Besser kann man die Faszination von dokumentarischen Momenten, dokumentarischer Nähe und Dokfilm allgemein eigentlich gar nicht illustrieren)))
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iasi
Beiträge: 24219

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von iasi »

pillepalle hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 19:29 Ich hab' mal eine etwas allgemeinere Frage. So langsam scheint sich mein kleines Dokumentarfilmprojekt für dieses Jahr zu konkretisieren und ich stehe vor der Frage wie ich den Film strukturieren soll, bzw welche Möglichkeiten es überhaupt in dem Genre gibt und gängig sind.
Wer nach einem Schema-F fragen muss, sollte sich nochmal Gedanken über das Warum machen.
Warum will ich diesen Dokumentarfilm drehen?



Funless
Beiträge: 5484

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Funless »

Drushba hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 00:49
Funless hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 23:41 Ohne den Thread jetzt kapern zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit die Experten fragen wie es sich bei dem Dokumentarfilm(?) Some Kind Of Monster verhält (sofern euch überhaupt bekannt). Zu welcher Sparte würde man den denn zuordnen? Dokumentarfilm? Dokfilm? Doku? Ich frage, weil mir persönlich der Film sehr gefallen hat (bzw. nach wie vor gefällt) und ich mir immer dachte, dass wenn ich jemals einen Dokumentarfilm machen würde, ich diesen genauso machen wollen würde.

Wie gesagt, ich will nicht OT werden, falls doch dann sorry.

Normalerweise sollte man nicht über Filme sprechen, die man nicht gesehen hat - alte Regel). Hab ich auch nicht, aber eben mal reingeschaut und für mich sieht er aus wie ein typischer Stilmix, der auf Masse ausgelegt ist (was aber nicht schlecht sein muss) und wie er auch heute noch gängig ist. Beobachtende Elemente im Direct Cinema Stil, dann Interviews mit direkter Ansprache (Fragen rausgeschnitten, naja) und entlange einer Zeitachse erzählt mit klarem Anfang und Ende. Solche Filme über berühmte Leute sind meist Special Interest für Millionen Fans und unterliegen von vorneherein einem Auswertungsinteresse. Inwieweit daher Dekonstruktion stattfindet (was sich bei Stars ja anbieten würde), kann ich nicht sagen. Aber was ich sehe, hat den Charakter einer handwerklich soliden dokumentarischen Unterhaltungs-Erzählung (und vermutlich mit wenig echter Nähe, die hinter die psychologischen Fassaden der Stars blickt). Würde ihn mir gern mal anschauen, da ich eh alles von Metallica hatte).
Danke für dein Feedback. Ja er war überraschend dekonstruktiv und ich war auch ziemlich erstaunt, dass die Bandmitglieder bereit waren soviel von sich zu offenbaren, gerade auch was die Konflikte untereinander betraf, ohne sich um die daraus resultierende Entmystifizierung zu sorgen.
Funless has spoken!

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Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

Und so sieht es dann aus, wenn man den ganzen verkrampften theoretischen Überbau sowie das pseudo-intellektuelle Schubladendenken hinter sich läßt, und einfach was macht, das man auch tatsächlich verkaufen kann:

Sapere aude - de omnibus dubitandum



pillepalle
Beiträge: 8414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

Danke Frank. Schaue ich später mal rein.

@ iasi

Über das Warum brauche ich mir eigentlich nicht lange Gedanken zu machen. Über das Wie bin ich mir noch nicht im klaren. Das ist für mich ein interessantes Projekt und eine neue Herausforderung. Ich glaube auch das man mit den Aufgaben wächst. Der kommerzielle Erfolg ist tatsächlich eher zweitrangig dabei, sondern es geht eher darum, einen Film aus Sicht der Minderheit zu drehen, mit dem sie sich auch identifizieren können. Das ist so ähnlich wie ein Indianerfilm, der von Indianern gedreht wird und nicht vom weißen Mann.

Mir geht es dabei auch nicht darum strikt eine bestimmte klassische Schule zu verfolgen. Sehe auch die Idee die Wahrheit darstellen zu wollen als durchaus kritisch an. Genauso wie für mich eine Fotografie wenig mit der Wahrheit zu tun hat. Aber die Ideen sind sehr interessant und lassen mich über vieles im Vorfeld nochmal nachdenken. Ich glaube es hilft wenn man vorab ein Konzept hat und schon beim drehen einen roten Faden bezüglich der Struktur.

VG
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dosaris
Beiträge: 1701

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von dosaris »

pillepalle hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 08:39
Über das Warum brauche ich mir eigentlich nicht lange Gedanken zu machen. Über das Wie bin ich mir noch nicht im klaren. ...
Mir geht es dabei auch nicht darum strikt eine bestimmte klassische Schule zu verfolgen.
hast ja noch nicht raus gelassen, über welches Metier der DokFilm laufen soll.

Über Viecher wirste natürlich 'nen völlig anderen Ansatz brauchen als über Ethnien.
Die Viecher sind einfach zu stur und sagen nix ;-)
Dann brauchst Du entweder einen sehr langen Film, damit die Bilder den Flow rüberbingen
od halt doch einen Off-Kommentator. Je länger desto mehr können die Bilder den Plot ohne OFF tragen.

Ich hatte auch nach solchen Büchern gesucht, war aber oft nicht nur enttäuscht,
sondern sogar zT verärgert, dass ich damit Zeit vergeudet hatte. Zu oft findet man darin nur:
mach's vielleicht wie bei zB Fritze Meyer, der doch so schön in seinem Film XXX ... bla bla.

fast nirgends wird die Systematik heraus gekitzelt.
Vielleicht habe ich da als Ing. auch "unrealistische" (?) Erwartung an die Präzision...

Anfangs hatte ich einige AHA-Effekte bei:
Bernward Wember: Wie informiert das Fernsehen.
über die Divergenz zw Motiv-Auswahl u Plot
(SchniBis vs Informationsgehalt)

Aktuell stehe ich vor dem gleichen Problem wie Du beim Schnitt des footage
eines mehrmonatigen Drehs (voriges Jahr) in div 1st-nation-Reservaten in CDN.
Da fehlt mir auch noch die prickelnde plot-struktur.
(ich mache fast nur Reportagen zT mit Elementen aus Doku-Essays und Features).
Für mich essenziell:
nie vor Ort den Antexter vergessen!

Mal sehen
Es ist immer so verdammt schwierig, Szenen raus zu lassen ;-)



Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

Drushba hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 22:56

Im Direct Cinéma hält sich der Filmemacher zurück - wie eine "fly on the wall", mit dem selben Ziel, dokumentarische Momente zu erhaschen. Er beobachtet, meist dynamisch, meist mit Handkamera...


Aha, so in der Richtung also :D
2019-03-19 09.48.04 www.facebook.com cbb9702b1343.jpg
Sapere aude - de omnibus dubitandum
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iasi
Beiträge: 24219

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von iasi »

pillepalle hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 08:39
@ iasi

Über das Warum brauche ich mir eigentlich nicht lange Gedanken zu machen. Über das Wie bin ich mir noch nicht im klaren.
Wenn ich nicht genau weiß, was ich sagen will, muss ich doch nicht nach Worten suchen.

eine ethnische Minderheit die portraitieren ???
Warum?
Welche Absicht steckt dahinter?
Was willst du denn zeigen?



pillepalle
Beiträge: 8414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

Deren Sicht der Dinge. Was man nicht kennt ist einem Fremd und oft entstehen so Vorurteile.

VG
iasi hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 12:56
pillepalle hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 08:39
@ iasi

Über das Warum brauche ich mir eigentlich nicht lange Gedanken zu machen. Über das Wie bin ich mir noch nicht im klaren.
Wenn ich nicht genau weiß, was ich sagen will, muss ich doch nicht nach Worten suchen.

eine ethnische Minderheit die portraitieren ???
Warum?
Welche Absicht steckt dahinter?
Was willst du denn zeigen?
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



iasi
Beiträge: 24219

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von iasi »

pillepalle hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 13:27 Deren Sicht der Dinge. Was man nicht kennt ist einem Fremd und oft entstehen so Vorurteile.

VG
iasi hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 12:56

Wenn ich nicht genau weiß, was ich sagen will, muss ich doch nicht nach Worten suchen.

eine ethnische Minderheit die portraitieren ???
Warum?
Welche Absicht steckt dahinter?
Was willst du denn zeigen?
So viel bzw. wenig also zum Was.

Wer ist denn eigentlich "deren"?
Welche Dinge?
Welche Vorurteile?

Und was ist, wenn deren Sicht der Dinge die Vorurteile bestätigen?

Zuerst sollte man sich einmal tiefgreifende Gedanken über den Inhalt und die ganz konkreten Zielsetzungen machen, bevor man über das wie diskutiert.



pillepalle
Beiträge: 8414

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von pillepalle »

@ iasi

Ich wollte jetzt nicht im epischer Breite öffentlich über ein Thema diskutieren das ich noch nicht mal begonnen habe. Mach Dir keine Sorgen, am Was wird es nicht mangeln.

VG
Meine Lieblingsfilme:
Es war ein Mahl in Amerika
Molkerei auf der Bounty
Dune - Der Würstchenplanet



Jalue
Beiträge: 1412

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Jalue »

Frank Glencairn hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 21:55 Also wir überlassen eigentlich nie was dem Zufall - gerade bei ner Doku ist Planung alles, sonst verlierst du viel zu viel Zeit am Set, bekommst nicht das Metrial, das du brauchst, und beißt dich im Schneideraum in den Arsch, weil die Hoffnung, daß bei Dreh irgendwie permanent Wunder geschehen, und man auf diese ganz tollen Begebenheiten nur drauf halten muß, sich dann doch irgendwie nicht erfüllt hat.
Ich finde, das bringt es gut auf den Punkt und deckt sich auch mit meiner Erfahrung. Gerade mit Blick auf die Dokumentarfilmdramaturgie wird viel esoterischer Nebel produziert, eben weil die Planbarkeit nicht gegeben scheint. Ist sie aber. Man recherchiert gründlich, definiert Thema/zentrale Frage, sucht die Protagonisten, entwirft mögliche Erzählbögen, schreibt ein Script (muss kein Drehbuch sein, tabellarische Form reicht), erledigt den Orga-Kram der Vorproduktion ... und dreht. Der entscheidende Unterschied zum szenischen Film: Man muss bereit sein, vom Plan abzuweichen, wenn die Realität dazwischenfunkt oder schlichtweg etwas besseres als erwartet kredenzt.

Natürlich gibt es "Experten", die den filmischen Staubsauger anwerfen und blindwütig alles ablichten (lassen), was nicht bei Drei auf dem Baum ist. "We fix it in the post", heißt es dann mit Blick auf die fehlende Dramaturgie, was man sich a) erstmal leisten können muss und b) oft auch böse in die Hose geht. Es sei denn, man findet einen masochistisch veranlagten Cutter, der es schafft, aus dem Materialbrei einen Sinn herauszudestillieren.



Drushba
Beiträge: 2508

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Drushba »

Jalue hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 19:03
Frank Glencairn hat geschrieben: Mo 18 Mär, 2019 21:55 Also wir überlassen eigentlich nie was dem Zufall - gerade bei ner Doku ist Planung alles, sonst verlierst du viel zu viel Zeit am Set, bekommst nicht das Metrial, das du brauchst, und beißt dich im Schneideraum in den Arsch, weil die Hoffnung, daß bei Dreh irgendwie permanent Wunder geschehen, und man auf diese ganz tollen Begebenheiten nur drauf halten muß, sich dann doch irgendwie nicht erfüllt hat.
Ich finde, das bringt es gut auf den Punkt und deckt sich auch mit meiner Erfahrung. Gerade mit Blick auf die Dokumentarfilmdramaturgie wird viel esoterischer Nebel produziert, eben weil die Planbarkeit nicht gegeben scheint. Ist sie aber. Man recherchiert gründlich, definiert Thema/zentrale Frage, sucht die Protagonisten, entwirft mögliche Erzählbögen, schreibt ein Script (muss kein Drehbuch sein, tabellarische Form reicht), erledigt den Orga-Kram der Vorproduktion ... und dreht. Der entscheidende Unterschied zum szenischen Film: Man muss bereit sein, vom Plan abzuweichen, wenn die Realität dazwischenfunkt oder schlichtweg etwas besseres als erwartet kredenzt.

Natürlich gibt es "Experten", die den filmischen Staubsauger anwerfen und blindwütig alles ablichten (lassen), was nicht bei Drei auf dem Baum ist. "We fix it in the post", heißt es dann mit Blick auf die fehlende Dramturgie, was man sich a) erstmal leisten können muss und b) oft auch böse in die Hose geht. Es sei denn, man findet einen masochistisch veranlagten Cutter, der es schafft, aus dem Materialbrei einen Sinn herauszudestillieren.

Das Vorgehen passt auch gut zum Wort "Doku". Man entwirft einen Film im Kopf samt Erzählung und organisiert sich die Bilder dazu. So funktioniert "Doku"-TV. Pitchgeeignet, planbar, praktisch und gut. In wenigen Jahren wird man die meisten Bilder am Computer generieren können, der Unterschied zu echten Protagonisten wird minimal sein. Der Vorteil: Man kann sie gleich aufsagen lassen, was man sich zuvor ausgedacht hatte und so lässt sich - mit Ausnahme der obligatorischen Drohnenflüge - sogar die Equipmentmiete sparen. Nachteil: TV bezahlt Auftragsproduktionen leider bescheiden.)


Beim altmodischen Dokumentarfilm lernt man hingegen oft erst über Berichte und Zufälle den Protagonisten kennen, der selbst interessant ist, den man daher erzählen möchte und der sich idealerweise in einer filmisch wie erzählerisch interessanten Situation befindet. Im zweiten Schritt leitet man daraus oft erst das Thema ab (um die dramaturgieverliebten Förderer und Redaktionen zu überzeugen, aber nicht, weil es der Dreh planerisch erfordern würde). Vorteil: Ist der Film gelungen und wird er von Festivals gewürdigt, kann man über die Folgezeit richtig Asche verdienen: Postproförderung, Ticketbeteiligung, Preisgelder, Verkäufe an den Weltvertrieb. Einzige Einschränkung: Man sollte sensibel und kein Otto sein, bissl stilistische Ahnung haben + sich auf die Protagonisten einlassen, sonst wird das natürlich nix.))
Lieber glaub ich Wissenschaftlern, die sich mal irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.



Jalue
Beiträge: 1412

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Jalue »

Drushba hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 19:20
Beim altmodischen Dokumentarfilm lernt man hingegen oft erst den Protagonisten kennen, der selbst interessant ist, den man daher erzählen möchte und der sich idealerweise in einer filmisch wie erzählerisch interessanten Situation befindet. Im zweiten Schritt leitet man daraus oft erst das Thema ab (um die dramaturgieverliebten Förderer und Redaktionen zu überzeugen, aber nicht, weil es der Dreh planerisch erfordern würde). Vorteil: Ist der Film gelungen und wird er von Festivals gewürdigt, kann man über die Folgezeit richtig Asche verdienen: Postproförderung, Ticketbeteiligung, Preisgelder, Verkäufe an den Weltvertrieb. Einzige Einschränkung: Man sollte sensibel und kein Otto sein, bissl stilistische Ahnung haben + sich auf die Protagonisten einlassen, sonst wird das natürlich nix.))
Merkst du was? Die Vorgehensweise ist dieselbe in Grün, nun dass bei dir das Ei (Protagonist) eben vor der Henne (Thema, Dramaturgie) kommt. Brauchen wirst du ab einem bestimmten Punkt beides, außer vielleicht bei "Bahnfahr-Dokus" als Testbildersatz nach Sendeschluss. :-)

Was das "richtig Asche verdienen" mit Dokus betrifft: Das läuft wohl unter moderner Legendenbildung. Die Dokumentarfilmer, die ich kenne, sind Überzeugungstäter, die (mit Glück) gerade so über die Runden kommen. Die Budgets für Doku-Sendeplätzen stagnieren seit Jahren und im Kino sind das auch Nischenprodukte. Richtig Umsatz machst du wenn überhaupt mit Industriefilm - oder mit Massenware (Factual Entertainment).



Frank Glencairn
Beiträge: 22705

Re: Wie strukturiert man einen Dokumentarfilm?

Beitrag von Frank Glencairn »

Drushba hat geschrieben: Di 19 Mär, 2019 19:20
Beim altmodischen Dokumentarfilm lernt man hingegen oft erst über Berichte und Zufälle den Protagonisten kennen, der selbst interessant ist, den man daher erzählen möchte und der sich idealerweise in einer filmisch wie erzählerisch interessanten Situation befindet. Im zweiten Schritt leitet man daraus oft erst das Thema ab (um die dramaturgieverliebten Förderer und Redaktionen zu überzeugen, aber nicht, weil es der Dreh planerisch erfordern würde). Vorteil: Ist der Film gelungen und wird er von Festivals gewürdigt, kann man über die Folgezeit richtig Asche verdienen: Postproförderung, Ticketbeteiligung, Preisgelder, Verkäufe an den Weltvertrieb. Einzige Einschränkung: Man sollte sensibel und kein Otto sein, bissl stilistische Ahnung haben + sich auf die Protagonisten einlassen, sonst wird das natürlich nix.))
Da ist doch eigentlich genau die selbe Vorgehensweise wie bei uns.

Entbindet einen allerdings nicht von Vorproduktion und Planung, Planung und Planung.

Ich hab mir noch nie ne Doku "ausgedacht".
(und ja DOKU - dein muffiges und ewig gestriges Schubladendenken, aus der Frankfurter Schule des letzten Jahrhunderts ignorierend).

Da war immer zunächst ein Thema auf das man irgendwie gestoßen ist, dann recherchiert man und lernt die passenden Leite und Locations kennen.

Dann fährt/fliegt man hin, macht ne Vorproduktion, spricht mit allen Beteiligten den Zeitplan ab - wo, was mit wem, und wann genau gedreht wird - holt sich die Genehmigungen, schaut sich die Locations an, damit es keine Überraschungen gibt etc.

Wenn du sowas professionell machen willst, ist generalstabsmäßige Planung eine absolute Notwendigkeit, weil du sonst Geld und Zeit verbrennst, und am Ende ohne entsprechendes Material da stehst.
Sapere aude - de omnibus dubitandum



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