Funless hat geschrieben: ↑So 26 Jul, 2020 19:23Allerdings (und das tat ich hier im Forum schon desöfteren kund) bleibe ich ebenfalls ein großer Liebhaber der 2014‘er Edwards Version. Die Emmerich Version sowie den neuesten US Ableger
King of the Monster sind jedoch tatsächlich Filme für die Mülltonne.
Doch
Godzilla (2014) gehört für mich persönlich zu einer der besten US Remakes eines asiatischen Franchises.
Im Direktvergleich kann ich besser fassen, was mich an Edwards' Film störte. Ich fühlte mich sehr alt nach diesem Film, abgeschnitten von den Schwingungen meiner Zeitgenossen. Ich dachte, ich habe gar keinen Zugang mehr zu dem, was sie bewegt. Und umgekehrt bin ich ein alter Kauz für sie, Catweazle, ein Relikt aus einer anderen, albernen und verschrobenen Zeit.
Das war der Grund, warum ich mich ein bisschen anstrengte, den Film niederzumachen. Rein dramaturgisch gesehen eine godzilla-hohe Steilvorlage. Die menschlichen Handlungsstränge sind mit der Brechzange zurechtgebogen. Tolle Schauspieler - ich hatte gerade Breaking Bad gebinget -, aber sie brachten keine Leidenschaften rüber.
Dasselbe müsste man in noch größerem Maße für die Toho-Stories sagen. Absolut langweilige, undramatische Schicksale. Selbst die "Action", das Wegrennen vor dem Monster, ist krude, was wir in unserem Super-8-Schmalfilmclub mit "Ketchup über den Sterbenden" zusammenfassten.
Worin besteht der Unterschied?
Die Amerikaner betrachten Kino als
ihre Ausdrucksform. Sie halten sich für die besten Geschichtenerzähler. Und sie haben insofern Recht, als sie die Ausdrucksmittel aller anderen Kulturen assimiliert haben und in Bezug auf audiovisuelle Kommunikation einen elaborierten Code entwickelt haben. Dort, wo sie in erster Linie Geschichten erzählen (Breaking Bad) sind sie unübertroffen, um nicht zu sagen unübertreffbar (höchstens von den Koreanern). Auf den ersten Blick kann es so aussehen als sei Jurassic Parc eine VFX-Show ohne Herz, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass es fast umgekehrt ist. Die Versöhnung der Geschlechter, das Versprechen einer Rettung der Institution der Familie vor dem Hintergrund eines prächtig illustrierten Zoobesuchs.
Die Japaner dagegen haben Kabuki-Tradition auf der einen und Hightech auf der anderen Seite, der "umgekehrte Düsenantrieb". Ihr Kino, ihre gesamte Kunst, ist anders kodiert, in unseren westlichen Augen wirkt sie stilisiert. Als Kind verstand ich die Godzilla-Filme als eine Art aufwändigeres Kasperletheater, und das war glaube ich nicht so falsch. Die psychologische Deutung der kindlichen Faszination für Monster oder Dinosaurier ist, dass man sich ihre Macht und ihren Schrecken wünscht als Waffe gegen die vielen Schrecken, die einem Kind durch Kultur und Erziehung zugemutet werden. Monster sind heidnische Gottheiten und die Japaner ein hochtechnologisiertes Naturvolk
(EDIT: Jaja, ich weiß, die Japaner sind natürlich ein Kulturvolk. Nur im Vergleich mit uns, der "Covid Null"-Pandemie). Wir dagegen sind die, deren Gott uns befahl, uns die Natur untertan zu machen. Verständlich, dass es da zu Missverständnissen kommen kann (BTW: die Amis spielen ja
mit! Einen Augenblick, als deren Stealth-Bomber siegesgewiss angreifen denken wir, jetzt ist es gleich vorbei. Was ist das für ein Gefühl? Erinnerte mich an die Doppeldecker-Attacke auf Jacksons King Kong).
Shin Godzilla unterscheidet sich stilistisch von Edwards' Godzilla. Letzterer versuchte nicht nur, die VFX fotorealistisch zu machen, er versuchte (wie es die amerikanische Schule ist), den Figuren Motivation zu geben, sie lebensecht und realistisch zu machen. Doch: der Mensch denkt, der Naturgott lenkt. Es gibt keine andere Interaktion zwischen einem hundert Meter hohen radioaktiven Monster und noch so motivierten Menschen als Flucht oder Tod. Jede Einstellung in Shin Godzilla ist wie ein abstraktes Kunstwerk. Wie eine für uns Europäer als kalligrafische Spielerei wirkende Tuschezeichnung. Die Macher (die auch das Anime Evangelion schufen) zeigen eine spirituelle Tiefe, gegenüber der Edwards' Godzilla wirklich wirkt wie ein Kinderspielzeug. Der Edwards-Film lässt der Fantasie und dem kindlichen Übermut keinen Zentimeter Platz, alles ist nach westlichen Genreregeln geregelt. Der Film selbst ist das Monster.
Es gibt in Shin Godzilla Kameraarbeit, die Hollywood-DoPs sich so nicht abzugeben trauten. Extremweitwinkel, die "hier" nur zu Karikaturzwecken verwendet werden würden. Ich maße mir nicht an, das deuten zu können. Ich weiß nur, dass Shin Godzilla eine Labsal für mich war.
Na und? Im Fernsehen wird ja auch alles wiederholt ...