Mit der Vorstellung des neuen Phasen-Hybrid Autofokus bei der S5II und S5IIX hat Panasonic einen Volltreffer gelandet und gleichzeitig bei Micro Four Thirds Usern den Wunsch nach entsprechenden Funktionen geweckt. Mit der neu vorgestellten Panasonic G9II hält Panasonics Phasen-Hybird AF jetzt Einzug im MFT-Segment. On Top bietet die G9II nahezu alle Videofunktionen der GH6, doppelte SD-Cardslots, lüfterloses Design, einen 8 Blendenstufen umfassenden I.B.I.S. Uvm. Ist die vor Videofunktionen nur so strotzende G9II damit eine heimliche GH7?
Und hier noch ein Hinweis vorweg: Die von uns hier getestete Panasonic G9II lief mit einer Firmware 0.4 und war damit noch Beta.
Vorab wie stets unsere Praxisaufnahmen mit Caro, die wir an einem heissen Sommertag am gut besuchten Spreeufer gemacht haben. Zum Einsatz kam neben der G9II das Leica DG Vario Elmarit 1:2.8 / 12-35mm (KB 24-70mm) – alle Aufnahmen freihand.
Ergonomie und Handling
Auf den ersten Blick glaubt man bei der neuen G9II eine S5II in der Hand zu haben und tatsächlich nutzt Panasonic für die G9II (fast) das gleiche Gehäuse wie für die S5II.
Aus unserer Sicht aus mehreren Gründen eine sehr willkommene Wahl: Das S5II Gehäuse bietet viele zentrale Video-Funktionen auf externen Schaltern und ermöglicht damit ein professionelles Handling. Hierzu zählen: Weißabgleich, ISO, Peaking, Waveform, Suchervergrössrung, Lut-View uvm. Darüber hinaus bietet das Gehäuse ausreichend Masse und Gewicht, um auch längere Brennweiten zu nutzen – ideal für Wildlife-Filmer die mit einem leichten System unterwegs sein wollen. Und letztlich bietet das Schalterlayout der aktuellen Vollformat-Panasonics ein durchdachtes Design – es gibt wenig Anlass das Rad hier neu zu erfinden. (und auch den SmallRig S5II Cage konnten wir problemlos an der G9II montieren).
Schaut man dann genauer hin, findet sich doch ein kleiner aber ziemlich wichtiger Unterschied im Gehäuse zwischen G9II und S5II. Die neue Panasonic G9II bietet im Gegensatz sowohl zur GH6 als auch zur S5II ein lüfterloses Design.
Damit fallen die Kühlöffnungen an der Seite des Suchers und natürlich der Lüfter selbst auch weg. Lt Panasonic benötigt vor allem der Cfexpres Card Slot der GH6 die extra Kühlung (bei der S5II dürfte es der größere Vollformat-Sensor sein). Womit wir schon bei den Aufnahmeformaten der G9II angekommen sind:
Aufnahmeformate G9II
Lüfterloses Design und dualer SD-Cardslot – damit knüpft die G9II an alte GH-Tugenden an. Die große Überraschung für uns: Panasonic hat im Vergleich zur GH6 kaum an den verfügbaren Videoformaten bei der G9II gespart. Kleinere Einschränkungen sind lediglich dem fehlenden CFexpress Card Slot zuzuschreiben - doch auch hier halten sich die Formateinschränkungen in überschaubaren Grenzen. Die Trennung erfolgt bei 800 Mbit/s. So kann die G9II beispielsweise 10 Bit 4K 50p All-I mit 600 Mbit/s auf SD Karte aufzeichnen, muss jedoch für die 800 Mbit/s Variante hingegen zur SSD via USB-C greifen (was die GH6 noch intern auf CFexpress Karte aufzeichnen kann).
Bei der ProRes Aufzeichnung zeigen sich dann auch die größten Unterschiede zwischen G9II und GH6. Während de G9II für die 5.7K ProRes Formate zu externem SSD Recording greifen muss, kann die GH6 diese auch intern auf CFexpress aufzeichnen. Bei der G9II startet die interne ProRes Aufzeichnung mit 422 HQ bei 1080/50p.
Um es kurz zu sagen: Mit der G9II können quasi alle Videoformate der GH6 aufgezeichnet werden. Wird die 800 Mbit/s Grenze überschritten, erfolgt die Aufzeichnung extern via USB-C auf SSD. Ziemlich coole Sache.
Wer mit 600 Mbit/s (z.B. 10 Bit 4:2:2 4K Cine 50p) aufnehmen möchte, sollte für die interne Aufnahme allerdings schnelle SD-Karten parat haben. Bei unseren ersten Tests mit der G9II mussten wir V90-Karten für die Aufnahme nutzen. Als günstige Alternative steht hier natürlich auch das SSD-Recording zur Verfügung, das als weiteren Vorteil ein besseres Wärmemanagement mitbringt. Wir hatten bei unseren Testaufnahmen mit Caro zwar gar keine Hitzeprobleme aber für längere Aufnahmen mit hohen Datenraten geht man mit dem SSD-Recording auf jeden Fall auf Nummer sicher.
Hier nochmal die Videoformate der Panasonic G9II in der Übersicht (die Sternchen stehen für Ergänzungen/Einschränkungen aber man erhält hier einen guten ersten Überblick):
Phasen-Hybrid Autofocus
Mit der Panasonic G9II hält erstmalig der neue Phasen-Hybrid Autofokus aus dem Vollformat-Segment bei Micro Four Thirds bei Panasonic Einzug. Damit stehen nun 779 Phasen-Detektionspunkte zur Verfügung und die einen deutlichen Sprung bei der Zuverlässigkeit des Autofokussystem mit sich bringen.
Bei unseren Testaufnahmen mit Caro haben wir entsprechend auch nicht einmal das gefürchtete Fokus-Hunting zu Gesicht bekommen, bei dem der AF nach vorne und hinten springt oder das Motiv komplett verfehlt. Alle AF-Test Aufnahmen haben wir mit einer Blende f2.8 bei 35 (70mm KB-equivalent) gedreht und hierbei gute Ergebnisse erzielt.
Selbst bei der für ein AF-System äußerst schwierigen Gegenlicht-Situation mit direktem Sonnenlicht auf dem Wasser im Hintergrund, hat es das Phasen-Detektionssystem der G9II geschafft, den Fokus auf Caros Gesicht zu halten.
Wenn man etwas genauer hinschaut, erkennt man hier und da eine leichte Verzögerung bei der Fokussierung – beispielsweise bei Caros Sprint auf die Kamera zu, sobald der AF von Körper auf Gesichts-/Augentracking wechselt.
Doch für eine 0.4er Beta-Firmwareversion ist diese Facetracking-Performance sehr gut – zumal wir auch in den Standard-AF Einstellungen unterwegs waren und hier bei der AF-Sensitivity und bei der AF-Geschwindigkeit noch einiges an Tuning-Potential besteht.
Was uns darüber hinaus sehr gut beim Thema Autofokus gefallen hat, ist die jederzeit zuschaltbare Suchervergrösserung – sowohl im AF als auch im manuellen Betrieb.
Und apropos manuelle Fokussierung: Wer mit AF-Objektiven manuell mit der G9II fokussieren möchte, dürfte die optional auch linear schaltbare Fokus-by-Wire Funktion zu schätzen wissen.
V-Log, Hauttöne und Dynamic Range Boost
Beim Thema Hauttöne folgt die Panasonic G9II dem guten Beispiel der GH6, die bereits einen großen Sprung bei der Hauttonwiedergabe hingelegt hatte. Siehe hierzu auch unseren ausführlichen Panasonic GH6 Review.
Der Weg zu guten Hauttönen bei der Panasonic G9II im V-Log-Betrieb ist kurz – ganz gleich, ob man den klassischen LOG/LUT Workflow, ein automatisiertes Colormanagement oder eine manuelle Farbkorrektur bevorzugt:
Das 10 Bit V-Log Material der Panasonic G9II ermöglicht schnelle Turnovers bei guter Hauttonwiedergabe. Wir waren bei unseren Testaufnahmen mit Caro mit einer Kombination aus manueller und colormanaged Farbkorrektur unterwegs.
„Schneller“ ist die Panasonic G9II auch mit Hinblick auf den bereits bei der GH6 implementierten Dynamic Range Boost geworden. Bei unserem Dynamiktest mit der GH6 erreichte sie Dank Dynamic Range Boost Funktion, bei der zwei parallele ISO-Aufnahmen zusammengeführt werden, den besten Dynamikumfang ihrer Klasse. Die Panasonic G9II hat ebenfalls den Dynamik Rage Boost an Bord. Allerdings scheint dieser nicht mehr manuell dazugeschaltet werden zu müssen, sondern wird für Aufnahmen bis einschl. 60 fps automatisch aktiviert. Und was uns besonders in diesem Zusammenhang freut: Die 2000er Minimal-ISO-Grenze der GH6 scheint bei der G9II im Dynamic Range Boost Betrieb gefallen zu sein.
Somit lässt sich jetzt in V-Log auch mit der Base ISO (500 ISO) mit maximalem Dynamikumfang aufnehmen. Dies entlastet die ND-Filter Situation – gerade auch bei Tageslichtaufnahmen deutlich. Coole Sache.
Und an dieser Stelle noch eine kleine Randnotiz zum Schärfentiefenpotential von Micro Four Thirds aus der Praxis. Wir haben für alle G9II Aufnahmen hier das Leica DG Vario Elmarit 1:2.8 / 12-35mm (KB 24-70mm) genutzt. Unsere Close-Up Zeitlupenshots entstanden mit offener f2.8 und maximalen Tele (35mm). Die Schärfe liegt auf Caros Augenpartie - doch bereits ab dem Ohr fällt die Schärfe sichtbar ab und die hintere Kopf/Haarpartie ist bereits stark geblurred. In unseren Augen – gerade auch in der Freihand-Praxis ein – ein absolut adequates Freistellungspotential (bei dem man sich nicht für die Nase oder eines der Augen entscheiden muss ;-)
Exzellente 4K 10 Bit 100fps Zeitlupe
Einen echten USP gibt es bei der Panasonic G9II auch zu entdecken und der besteht in der herausragenden Zeitlupenfunktion. Die Panasonic GH6 hatte hier bereits vorgelegt und ein gleichbleibend hochwertiges 4K Debayering von 24-120p gezeigt.
Wir haben zwar noch keine Testlaboraufnahmen mit der G9II 0.4er Firmware machen dürfen, aber unsere Praxisaufnahmen mit Caro weisen hier bereits in eine sehr vielversprechende Richtung.
Damit dürfte die Panasonic G9II die aktuell hochwertigste 4K 100/120p Zeitlupe ihrer Klassen besitzen und selbst viele höherpreisige Vollformat-DSLMs in den Schatten stellen.
Wer also eine besonders hochwertige 4K 100/120p Zeitlupe sucht, sollte sich die G9II einmal genauer anschauen.
Stabilisierung
Und auch bei der Stabilisierung dürfte die Panasonic G9II oberhalb ihrer Gewichtsklase boxen. Panasonic gibt die Stabilisierungsleistung der G9II mit bemerkenswerten 8 Blendenstufen an – die damit nochmal einen Tick besser ausfällt als die bereits herausragende Stabilsierung der GH6.
Entsprechend haben wir die duale Stabilisierung der Panasonic G9II mit ca. 50mm (KB equivalent) im Gehen getestet. Normalerweise testen wir die Stabilsierung direkt am Spreeufer mit 24-35mm Brennweite. Da das Ufer jedoch an diesem Spätsommertag viel zu voll war, mussten wir zur Seite ausweichen, mit einer viel näheren Häuserwand und einer teligeren Brennweite (was zu einem etwas unruhigeren Eindruck führt).
Trotz dieser widrigen Umstände zeigt die Panasonic G9II viel Potential bei der Stabilisierung. Panasonic zählt nicht zu Unrecht zu den Marktführern bei der kamerainternen Stabilisierung.
Sobald wir eine finale Version der G9II haben, werden wir den Stabilisierungstest mit unseren gewohnten Parametern im Vergleich durchführen.
Akkuleistung
Die Panasonic G9II nutzt die gleichen 2.200 mAh Akku (DMW-BLK22) wie die GH6 und die S5/S5II. Nach einem knapp 1 stündigen Dreh bei nicht ausgeschalteter Kamera zeigte die Panasonic G9II noch 3 von 5 Strichen auf dem Akku – ein guter Wert. Damit sollten über zwei Stunden im Rec/Standby Betrieb möglich sein.
Im 4K 10 Bit 25p Nonstop Recording sind wir auf über 2 Stunden Aufnahmezeit (2 Stunden und 3 Minuten) gekommen. Damit übertrumpft die Panasonic G9II ihre GH6 MFT-Schwester, was wir auf das lüfterlose Design und auf den dualen SD statt CFexpress Cardslot zurückführen. Ein guter Wert.
Fazit
Die Panasonic G9II überrascht mit einer stark videoafinen Ausstattung. Es lassen sich nahezu alle Videoformate nutzen, die auch die GH6 beherrscht – inklusive 5.7K ProRes HQ Aufnahme. Für alle Formate oberhalb von 600 Mbit/s wird hierbei auf SSD-Recording zurückgegriffen. Zu den weiteren Stärken der Panasonic G9II zählen: Der neue Phasen-Hybrid Autofokus, duale SD Cardslots, gute Akkuleistung, Fullsize HDMI-Anschluss, 4-Kanal-Audio / XLR-Adapter-Option, Dynamik Range Boost, 500 Base-ISO V-Log, exzellente 4K 100p Zeitlupe, Waveformmonitor, sehr gutes Schalterlayout und viel Potential bei der Stabilisierung.
Dass Panasonic den nahezu gleichen, kompakten S5II Body (ohne Lüftungsschlitze) für die G9II nutzt, finden wir eine gute Wahl. Der Body bietet ein Höchstmaß an Funktionen, die auf externe Schalter geführt sind und eine sehr gute Ergonomie und schafft gleichzeitig eine hohe Kompatibilität beim Zubehör (Cages, Akkus, XLR-Adapter etc.)
Für uns stellt sich die G9II damit in die Tradition der GH-Workhorse-Kameras, die auch bei der Videoproduktion problemlos für professionelle Einsätze für Industrie, Indie, Reportage, Wildlife, Interview etc. genutzt werden kann. Den dualen SD-Cardslot (statt eines CFexpress und SD-Cardslots) empfinden wir persönlich eher als Bereicherung – gerade auch für die oben genannten Anwendungsgebete. In diesem Sinne: Willkommen bei der „heimlichen GH7“.
Soweit unsere ersten Erfahrungen mit der 0.4er Beta-Firmwareversion mit der Panasonic G9II.
Preis und Verfügbarkeit Panasonic G9II
Panasonic G9II (Body only) = 1899,- Euro (UVP.)
Panasonic G9II + Lumix G Vario 12-60 = 2.099 Euro (UVP.)
Panasonic G9II + Leica DG Vario Elmarit 12-60 = 2.499 Euro (UVP.)
Verfügbar soll die Panasonic ab November diesen Jahres sein.