Test NIKON D90 Videorevolution mit Tücken

NIKON D90 Videorevolution mit Tücken

Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass mit der Videofunktion von DSLRs ein völlig neues Kapitel in der Technikgeschichte des digitalen Videos geschrieben wird - es ist dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei der tatsächlich von revolutionären Neuerungen gesprochen werden darf. Nikons D90 stellt die erste DSLR mit HD-Video-Funktion dar - mittlerweile, und vielleicht auch etwas mit Zugzwang, gefolgt von der Canon 5D MKII. Wir hatten nun Gelegenheit, die Nikon D90 genauer zu erkunden und viel Freude aber auch etwas Frust mit Ihr gehabt …

// 21:41 Mi, 24. Dez 2008von

Mittlerweile sollte jedem klar sein, dass mit der Videofunktion von DSLRs ein völlig neues Kapitel in der Technikgeschichte des digitalen Videos geschrieben wird - es ist dies eine der wenigen Gelegenheiten, bei der tatsächlich von revolutionären Neuerungen gesprochen werden darf. Nikons D90 stellt die erste DSLR mit HD-Video-Funktion dar - mittlerweile, und vielleicht auch etwas mit Zugzwang, gefolgt von der Canon 5D MKII. Wir hatten nun Gelegenheit, die Nikon D90 genauer zu erkunden und viel Freude aber auch etwas Frust mit Ihr gehabt …



Nikon D90 mit 720p HD Videofunktion
Nikon D90 mit 720p HD Videofunktion





Handling / Allgemein

Die Nikon D90 ist im Vergleich zu älteren Nikon-DSLRs wie beispielsweise die Nikon D70 eine recht kompakte DSLR. Nikon ist hiermit dem allgemeinen Trend zu Verkleinerung gefolgt, ohne diesen jedoch auf absurde Schrumpfmasse zu bringen. Paradoxer Weise stellen die Nikon Prosumer-DLRS im Vergleich zu anderen Herstellern immer noch die größeren Gehäuse dar: sehr löblich! Eine DSLR muss gut und satt in der Hand liegen - ansonsten lieber zur Sucher- oder Kompaktkamera greifen. Mit ihren Abmessungen von 103 × 132 × 77 mm (H x B x T) bei einem Gewicht von 620 g ohne Akku sollte die Nikon D90 in die meisten Hände passen. Für jemand, der von der Nikon D70 her kommt einerseits erfreulich, dass sich die meisten Bedienungselemente schnell erschließen ( dazu später mehr) - Gewöhnung bedarf jedoch das kleinere Baumaß der Kamera: Zum Vergleich: Die D70 liegt bei 111x140x78 (H x B x T) und 600 g ohne Akku. Die D300 bei 114 x 147 x 74 mm und die D700 bei 123 x 147 x 77 mm. Für jemanden mit großen Händen fühlen sich die aktuellen D300, D700 und D3 Modelle eindeutig "passender" an (oder halt die alte D70).




größer, schwerer, satter: Nikon D300, D700 und D3
größer, schwerer, satter: Nikon D300, D700 und D3


Für kleine bis mittlere Hände dürfte die Ergonomie der Nikon D90 nahezu perfekt sein. Der Body besteht aus Kunststoff und bringt damit ein sehr viel geringeres Gewicht mit als die Magnesium-Legierungen, die ab der D300 eingesetzt werden. Dies hat Vor- und Nachteile: In Sachen Transport schleppt man mit der D90 merklich weniger mit sich herum, als bei Nikons Pro-DSLRs - wer jedoch, wie wir, ein satteres Handgefühl bevorzugt, fühlt sich bei den schwereren Pro-Gehäusen merklich besser aufgehoben. Robust ist das Kunststoffgehäuse alle mal, auch wenn die Magnesium-Rahmen deutlich solider und damit höherwertiger rüberkommen. Auch in Sachen Schutz gegen Umwelteinflüsse zieht die D90 im Vergleich zu den Pro-Gehäusen den Kürzeren: Aufwendige Silikon-Dichtungen sucht man hier vergebens. Hierbei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die Pro-Gehäuse für sehr rauhe Behandlung ausgelegt sind. Unsere alte Nikon D70 war ohne Wetter-Schutz schon vielfach im Regen und funktioniert nach wie vor tadellos - bei der Nikon D90 erwarten wir nichts anderes.



Die Anordnung und Haptik der einzelnen Bedienelemente ist bei Nikon auf gewohnt hohem Niveau und auch bei der D90 perfekt gelungen. Der große Multifunktionswähler auf der Rückseite spricht akkurat und genau an - ganz gleich, ob man damit in die Tiefen des Menues abtaucht oder schnell einen anderen Autofokus-Meßpunkt aktivieren möchte.





Sehr gute Ergonomie – Nikon D90 Rückseite
Sehr gute Ergonomie – Nikon D90 Rückseite


Auch muss man den Daumen nicht, wie bei anderen Kameras, übermäßig nach unten spreizen, um an ihn heranzukommen. Als besonders gelungene Neuerung fiel uns die Info-Taste unterhalb des Sperrschalters für die Messfeldvorwahl auf, die bei immer mehr Nikon-Modellen Einzug hält. Durch einmaliges Drücken werden alle derzeit relevanten Einstellungen auf dem hinteren 3 Zoll Monitor gezeigt, durch nochmaliges Drücken kann man diese verändern ohne über das Menue gehen zu müssen - eine ziemlich geniale Shortcutfunktion um beispielsweise mal schnell die Anzahl der Aufnahmen bei Belichtungsreihen zu verändern oder -zig andere Werte direkt einzustellen ohne nervige Menue-Dudelei.



Shortcut zu allen aktivierten Einstellungen per Info-Taste
Shortcut zu allen aktivierten Einstellungen per Info-Taste


Insgesamt finden sich 37 veränderbare Einstellungswerte über die Info-Taste aufgelistet. Diese ist umso wichtiger, als sich eigentlich nur eine echte, frei belegbare Funktions-Taste (vorne links) an der Nikon D90 befindet - viel zu wenig, um die vielen individuellen Einstellmöglichkeiten bestmöglich umsetzen zu können (Bei den Pro-DSLRs sind mehr Funktionen auf externe Schalter gelegt - aber vielleicht sind wir hier auch von Prosmer-HD-Cams verwöhnt, wo mehrere frei belegbare Funktionstasten mittlerweile zum Standard gehören). Zwar lässt sich in bescheidenerem Umfang auch die AEL-Taste programmieren - entscheidend für eine komfortablere Videoaufnahme! s.u. - aber ausreichen tut dies nicht - bleibt die Info-Taste als bestmöglicher Kompromiss.



Der 3-Zoll Große TFT-Monitor au der Rückseite des Gehäuses bietet mit seinen ca. 920.000 Bildpunkten ein enorm scharfes Bild, das sich selbst zur Schärfebeurteilung von hochauflösenden Fotos heranziehen lässt, wenn man entsprechend weit in das Bild hineinzoomt. Für die Schärfebeurteilung von Videos (sprich: während der Aufnahme) gehört eine große Portion Erfahrung dazu, um die Schärfe auf einem solch kleinen Monitor zu "fühlen" - zumal die Nikon D90 keine AF-Option während der Aufnahme bietet. Hier mag ein nach außen geführtes HDMI-Signal helfen, auch wenn dieses unseren Eindrücken nach nicht das Videosignal 1:1 wiedergibt. Allein das größere Bild eines mobilen TFTs dürfe die manuelle Fokussierung deutlich vereinfachen. Ansonsten gilt frei nach dem Motto: Üben, Üben, Üben und sich so vielleicht die Sicherheit eines guten Fokuspullers antrainieren, von denen viele gar nicht mehr auf die Markierung ihrer Leichtschärfe-Scheibe schauen müssen, sondern nur noch auf das Motiv. Bewegte Schärfe an der D90 ist somit eindeutig ein Fall für Spezialisten - uns hat das manuelle Scharfstellen ziemlich gut gefallen - aber Vorsicht: das ist mit Sicherheit nicht jedermanns Geschmack - zudem auch noch stark vom verwandten Objektiv abhängig! Mehr zum Thema Scharfstellen und Objektivempfehlungen im DOF/Filmlook Kapitel.



DIe Frage nach dem besseren Layout-Konzept: Nikon oder Canon scheint uns ziemlich müssig zu sein. Der Erfahrung nach greift man zu dem, was man gewohnt ist - oder besser noch: was sich persönlich am besten in der Hand anfühlt. Vorhandenes Equipment in Form von Objektiven und Zubehör dürfte ebenfalls eine nicht unwichtige Rolle bei der Wahl des Kamerasystems spielen. Allerdings unterscheidet sich unsere Objektivempfehlung sehr vom Einsatz der Kamera als entweder HD-Video- oder Fotokamera. Entsprechend fällt es schwer, hier Empfehlungen auszusprechen. Ein Rat sei hier jedoch genannt, der sich genauso auf den Camcorder-Bereich bezieht: Es ist viel viel viel wichtiger, wie sich eine Kamera bedienen lässt, wie sich mit ihr Arbeiten lässt, sie "in die Hand passt" als ein Milli-Quentchen mehr Schärfe hier oder da. Wer sich also die Anschaffung von neuer Technik überlegt und dies gilt wie gesagt, sowohl für den Camsorder wie auch für den Fotografiebereich und somit auch für diese neuen Zwitter-Foto-Video-Cams: Bitte mindestens genau so viel Sorgfalt auf die Analyse des Bedienkonzepts / Ergonomie legen wie auf das Studium von Schärfe-Charts und Vergleichstabellen. Häufig geht das leider in der Flut der Informationen und Vergleichswerte verloren und am Ende wundert man sich, weshalb man mit der alten Billig-Kompakt-Knipse oder Camcorder bessere Bilder/Filme geschossen hat, als mit dem neuen, teuren Multi-Funktions-Bomber - aber wir schweifen ab. Bei der Nikon D90 kommt in Sachen Abwägung jedoch noch ein weiterer wichtiger Punkt hinzu: Was ist mir wichtiger: Größtmögliche Schärfe/Auflösung oder größtmögliche Kontrolle der Schärfentiefe? Behalten wir die Frage für einen Moment noch im Hinterkopf, bis wir zum Kapitel DOF/Filmlook, bzw. zum Fazit kommen.








Handling / Film

1. Jede HD-Video-Cam - ganz gleich in welche Preisklasse man blickt - liegt für Filmaufnahmen besser in der Hand als die Nikon D90.


2. Kaum eine HD-Video-Cam - ganz gleich in welche Preisklasse man blickt - macht derzeit mehr Spass als die Nikon D90 - manuelle Schärfe lässt grüßen.



OK, ziemlich geschmacklerische Aussagen ... Zugegeben lässt sich Punkt 1 einfacher mit Fakten belegen als Punkt 2 ... Starten wir einen Erklärungsversuch. Zunächst zu Punkt 1: SLRs sind dafür ausgelegt, nahe am Auge mit Blick durch das Okkular bedient zu werden. Eine Zoomwippe für gleichmässige, langsame Zooms ist hier nicht von Nöten, genauso wenig wie eine Handschlaufe,welche die Kamera nochmals besser stabilisiert und die Zoom-Bedienung vereinfacht (auch wenn Handschlaufen als Accessoir für DSLRs erhältlich sind) Bei HD-Cams im Prosumer-Bereich hat das links (!) ausklappbare TFT-Display in vielen Fällen die Aufgabe des Okkulars übernommen - ganz gleich, ob man dies nun gut findet oder nicht (Schultercams ausgenommen). Die Kombination Handschlaufe, ausklappbarer, verstellbarer TFT-Display verlagert die HD-FilmCam von der Körpermitte leicht nach rechts, der Arm muss weniger geneigt werden und die Cam lässt sich leichter über einen längeren Zeitraum halbwegs verwacklungsfrei operieren. Und wer es mit seiner Bildkontrolle genau nimmt, der nutzt den Sucher während des Filmens - fertig. Der Bildausschnitt der Nikon D90 im Videomodus hingegen kann nur über das große TFT-Display auf der Rückseite kontrolliert werden, das sich weder schwenken noch neigen lässt: Sucher = Fehlanzeige - eine Handschlaufe fehlt ebenfalls. Der Record-Button ist der OK-Button in der Mitte des Multifunktionswählers - nicht der Auslösebutton für Fotos.



Wollte man die Ergonomie der Nikon D90 vom Fotoapparat hin zur Videokamera verlagern, so wären das Display, der Auslöser und ein während der Aufnahme aktiver Sucher die entscheidenden Ansatzpunkte: Display: schwenk- und kippbar. Auslöser: der gleiche wie für Fotos oder zumindest in dessen Nähe. Sucher: Aktiv während der Aufnahme und S/W schaltbar inkl. Zebra-Einblendung. Wer also über die Nikon D90 als frei-hand Cam nachdenkt, sollte sich dieser ergonomischen Einschränkungen bewußt sein. (Am Besten man schaut sich die hier aufgelisteten Videobeispiele von Nikon D90 Filmern einmal genauer an und überlegt, ob diese Art von Clips das richtige Format für die eigenen Bedürfnisse darstellt - s. dazu auch das Kapitel "Videos mit der D90"). Einzige gut kontrollierbare Frei-Hand-Alternative scheinen derzeit die DSLR-Video-Riggs zu sein, die jedoch ihren Preis haben - dafür jedoch Schulterbedienung inkl. Option eines externen, schwenkbarem Monitors bieten.



Kommen wir zu Punkt 2: Kaum eine HD-Video-Cam - ganz gleich in welcher Preisklasse man schaut - macht derzeit mehr Spass als die Nikon D90:



Genau - weil es total egal ist, ob sie als Familien- oder Urlaubs-Cam taugt (kommt immer noch sehr auf die Definition von Urlaubs/Familien-Film an): Hej (!), die Kamera macht großartige Fotos und bietet zusätzlich 24 Bilder pro Sekunde 720p Filmlook OHNE DASS ICH EINEN 35MM KONVERTER FÜR 6000,- EURO ANSCHLIESSEN MUSS ! Inklusive Wobble-Shutter, verminderter Schärfe und 5Min max. Aufnahmedauer (max. 2GB) in MJPEG: Alles total egal für unter 1000,- Euro. Es ist also wie so häufig eine Frage der Perspektive oder dessen, worauf man für das eigene Filmprojekt wert legt: Einfache Bedienung mit einem scharfen dafür jedoch relativ flachen Videobild oder eine etwas umständliche Bedienung mit wunderbar gestaffelter Schärfe - je nach gewählter Optik und Blende. Wir geben eindeutig dem filmischen Bild den Vorzug (und ja, die Nikon D90 hätte genauso gut slashCAM- Camcorder des Jahres 2008 in der 1000,- Euro Kategorie werden können). Gründe dafür gäbe es genügend.






Sensorgrößen im Vergleich

Bevor wir zum Filmlook der D90 kommen, wollen wir nochmal kurz in Erinnerung rufen, weshalb die Videofunktion der Nikon D90 einen solchen Wirbel unter Video-Arbeitern verursacht. Viele Fotografen verstehen gar nicht den Rummel um die HD-Video-Funktion und halten es für nicht mehr als ein unnötiges Zusatzfeature.



Einen offensichtlicher Vorteil stellt zum einen die Möglichkeit dar, fast die gesamte Nikkor-Objektiv-Palette nutzen zu können. Doch der eigentliche Knaller besteht im Zusammenspiel dieser Optik-Palette mit einem CMOS-Sensor, dessen Größe bei geöffneter Blende Garant für extreme Staffelungen von Schärfentiefe (Filmlook) im Videobild ist. Wir haben uns bemüht, in diesem Sensor-Größen-Vergleichscharts die richtigen Abmessungen von sowohl Film- als auch Video- und Fotokameras zusammenzuführen - nehmt den Chart als Orientierung - nicht als Gottes letztes Wort in Sachen FIlm- und Sensorgrößen (Dank an Stu Maschwitz für die Inspiration).



Sensor und Negativgrößen inkl. Nikon D90 im Vergleich
Sensor und Negativgrößen inkl. Nikon D90 im Vergleich


Mit der Nikon D90 lassen sich mit der Kombination 35mm Optik und DX-CMOS-Chip Filmlooks basteln, die bislang nur 35mm Konvertern oder sehr viel teureren Kameras vorbehalten waren: Allein ein Blick auf die Größenverhältnisse von 1/3" Zoll Chip, wie er (allerdings als 16:9 Variante) in einer HVX200, XL1 oder Z5 verbaut wird, im Vergleich zum Nikon D90 DX Chip lässt die Bedeutung der neuen filmfähigen DSLRs erkennen. Wir sind damit nur einen Hauch von 35mm Film entfernt.








DOF / Filmlook / Videosamples

Wir hatten Eingangs gesagt, dass man sich bei der Nikon D90 im Vergleich zu gewöhnlichen HD-Video-Cams grundsätzlich entscheiden muss, ob man größtmögliche Schärfe/Auflösung oder größtmögliche kreative Schärfentiefe haben möchte. Votiert man für Ersteres ist man mit den gängigen HD-Cams bestens bedient. Stellt die gestaffelte Schärfe den wichtigsten Aspekt dar, dann sollte man sich die Nikon D90 eingedenk ihrer Problemzonen (s. "Einstellungen für Video") genauer anschauen. Mit keinem anderen Prosumer-HD-Camcorder lassen sich derzeit solch plastische Tiefen basteln. Wir haben unterschiedliche Objektive an der Nikon D90 ausprobiert - vom im Kit enthaltenen Nikkor AF-S DX 18-135 mm 1:3,5-5,6G IF-ED, über das AF NIKKOR 35 mm 1:2D, 50mm 1:1.4 Ai bis hin zum Nikkor 85mm 1:1.4 Ai-S. Kurz zur Erläuterung der Nikkor Bezeichnungen: G-Objektive stellen die neuesten Autofokus-Objektive von Nikkor dar, die keinen manuellen Blendenring mehr bieten, das 35er ist ein AF-Objektiv mit externem Blendenring und AI und AIS Nikkore sind manuelle Fokusobjektive inklusive manuellem Blendenring. Da man beim Filmen mit der Nikon D90 auf manuelle Schärfeführung angewiesen ist, stellt man am sichersten die Schärfe mit Objektiven, die über etwas Dämpfung im Schneckengang verfügen: Also am besten zu alten AI oder AIS Optiken greifen: Finden sich beim Gebrauchthändler oder auf eBay in rauen Massen.



Nikkor 50mm AIS – perfektes Zusammenspiel mit der D90 in Sachen Videoaufnahme
Nikkor 50mm AIS – perfektes Zusammenspiel mit der D90 in Sachen Videoaufnahme


Die Nikkor AF D-Objektive bieten viel zu wenig Dämpfung beim Scharfstellen - wir empfanden jedoch das genannte 35mm Objektiv als durchaus beherrschbar - zu G-Objektiven können wir zumindest in Sachen Videoaufnahmen weniger raten - auch wenn es möglich ist.



Der Video/Filmlook der Nikon D90 produziert hervorragend gestaffelte Schärfe, die auf Grund des relativ weichen Bildes (Im Vgl. zu anderen HD-Prosumer-Cams) einem impressionistischen Eindruck Vorschub leisten. Schärfer sind, wie unsere Tests zeigen "echte" HD-Cams - wer also extrem hochauflösende Bilder schätzt, ist hier falsch - uns gefällt das weiche Bild ganz ausgezeichnet.



Bei den folgenden beiden Aufnahmen wurde das Nikkor 50mm 1:1.4 Ai eingesetzt – wir bieten die Original-Sourcen (QuickTimes) hier zum Download an:



 Hier zunächst ein Eindruck, wie nahe die beiden Puppen beieinander lagen: aufgenommen wurde der Clip mit dem 50mm AIS bei Blende 1.4
Hier zunächst ein Eindruck, wie nahe die beiden Puppen beieinander lagen: aufgenommen wurde der Clip mit dem 50mm AIS bei Blende 1.4


 Akzentuierung von Motiven bei voll geöffneter Blende
Akzentuierung von Motiven bei voll geöffneter Blende


Puppenclip 28,2 MB



Und noch ein Beispiel mit einer Postkarte als Größenvergleich



 beeindruckende Staffelung der Schärfe im Raum.
beeindruckende Staffelung der Schärfe im Raum.




Postcardclip 24MB



Auch die Bildstabilisierung haben wir uns bei der Nikon D90 angeschaut. Diese wird nur von Objektiven gewährt, die mit der sog. VR-Technologie ausgestattet sind. Das Kit-Objektiv AF-S DX 18-135 mm 1:3,5-5,6G IF-ED bringt einen entsprechenden Schalter für die Bildstabilisierung mit. Die VR-Funktion arbeitet einwandfrei und ermöglicht auch im Videomodus eine Reduktion von Freihand-Wacklern.






Einstellungen für Video

Um mit der Nikon D90 Videos aufzunehmen, muss der Spiegel hochgeklappt werden (LiveView), was eine Okkular-Sicht während der Videoaufnahme unmöglich macht. Einzig der nicht schwenkbare TFT-Monitor auf der Rückseite bietet eine Bildkontrolle, mit der sich die Belichtung so halbwegs beurteilen lässt und die Schärfe mit etwas Übung manuell ziehen lässt. Mit der Aktivierung der LiveView-Funktion über die Taste an der Rückseite schwenkt der Spiegel mit deutlich vernehmbarem Klack zur Seite und per Druck auf die OK-Taste lässt sich nun Video aufnehmen. Soweit so gut. Leider bringt die Nikon D90 einige fiese Problemzonen für die Videoaufnahme mit. Einige lassen sich mit wenig Aufwand austricksen, andere mit erheblich mehr und wieder andere überhaupt nicht. Hier die Liste der "Störfunktionen" in Sachen Videoaufnahme:



- ISO lässt sich nicht manuell einstellen


- Verschlußzeit lässt sich nicht manuell einstellen


- Belichtungsautomatik ist default-mäßig aktiviert


- Wobble-Effekt bei schnellen Schwenks


- Mono-Audio statt Stereo-Audio (kein externes Mikro anschließbar)



Die automatisch sich während der Aufnahme anpassende Belichtung führt bei wechselnden Lichtsituationen zu sprunghaften Belichtungskorrekturen der Automatik. Diese bestehen aus einer nicht-kontrollierbaren Mischung aus ISO- und Verschlußzeitenanpassung. Sehr nervig für kontrollierte Shots. Hierfür gibt es jedoch einen Workaround, der zwar nur einen Kompromiss darstellt, aber einfach zu implementieren ist. Stichwort: Belichtungs und Fokusspeicher-Taste: AE-L / AF-L. Im Default-Modus speichert die AE-L / AF-L-Taste das jeweils gewählte ISO, Blende und die Verschlußzeit, solange sie gedrückt wird - für Videoaufnahmen ziemlich unpraktisch. Über das Menue lässt sich jedoch die AE-L / AF-L Taste so umprogrammieren, dass mit einmaligem Drücken die Belichtung konstant gespeichert bleibt, bis die Taste erneut gedrückt wird. Der Menue-Punkt nennt sich "Belichtung speichern ein/aus". Hiermit hat man bereits den größten Schritt Richtung bestmögliche Belichtung getan. Wer schnell zu konstanten Belichtungsergebnissen kommen möchte nutzt die so arretierte Belichtung. Via Trial-and Error lässt sich nun eine Belichtung "einfangen", die am besten für die anschließende Aufnahmen funktioniert. Hier heisst es tatsächlich experimentieren, bis man eine Kombination von ISO, Shutter und Blende gefunden hat, die passt. Es lohnt sich in diesem Prozess auf unterschiedlich helle Motiv die Belichtung zu arretieren und zu schauen, welche Motivhelligkeit das wenigste Rauschen bei möglichst langsamer Verschlußzeit erreicht. Aber Achtung: Selbst bei manuell gewähltem ISO und Verschlußzeit regelt die Kamera bei Videoauaufnahmen beide Werte automatisch, solange man nicht über AE-L zuvor arretiert. Denkbar wäre ebenfalls das Arbeiten mit Graukarten um zu konstanten Belichtungsergebnissen zu kommen. Entscheidend für komfortables Arbeiten ist hierbei ein Objektiv mit manuell zu schließender Blende, da sich nur so im Live-Viewmodus die arretierte Belichtung weiter anpassen lässt. Es geht jedoch noch etwas kontrollierter und mit deutlich mehr Trickserei:



Einige Hard-Core-D90-User (Dank an Kholi von dvxuser.com) haben ein Verfahren entwickelt, um zu bestmöglichen Filmlooks, d.h. offene Blende, niedriges ISO bei Verschlußzeiten um die 1/60 Sekunde zu gelangen. Hier das Verfahren Punkt für Punkt beschrieben: Voraussetzung ist ein manuelles Objektiv:



1. Nikon D90 in manuellen Modus Schalten ohne LiveView aktiviert zu haben


2. AE-L Taste drücken


3. Blende (am Objektivring) auf einen Wert um die 5.6 oder 8 schließen


4. Kamera auf eine gleichmäßig hell erleuchtete aber nicht gleißende Fläche richten


5. LiveView aktivieren


6. Blende auf 2.8 oder 1.4 öffnen und sich über eine Verschlußzeit zwischen 1/30 und 1/60 bei moderatem Gain (ISO) freuen.



Tatsächlich führt die Methode zu relativ konstanten Ergebnissen - aber ganz ehrlich: nicht immer hat man eine entsprechend ausgeleuchtete Fläche parat. Letztlich muss Nikon hier nachbessern. Manuelle Kontrolle über ISO und Verschlußzeit ist einfach zwingend notwendig und wir sind bereits sehr gespannt, ob und wie Nikon dieses Problem bei künftigen Kamera-Modellen angehen wird. Da Nikon wenig Erfahrung in Sachen Video von Hause aus mitbringt, kann man dies beim ersten Model sicherlich noch nachsehen - vor allem, wenn man Preis und die hervorragende Fotofunktion mitbedenkt. Für den Nikon D90 interessierten Filmer bedeutet dies, dass er um diese Nachteile beim Kauf einer Nikon D90 wissen sollte - dass sich trotzdem beeindruckende Aufnahmen mit der Nikon D90 realisieren lassen, zeigt unsere Zusammenstellung von D90 Videos im "Videos mit der D90" Kapitel. Fasst man das Handling für Videoaufnahmen eingedenk unserer Objektivempfehlungen zusammen, zeichnet sich eine recht "filmische Arbeitsweise" ab: Genaues Einschätzen der Beleuchtungsverhältnisse vor Ort, Arretieren von Belichtungswerten, Objektivwahl, manuelles Fokussieren, genaues Beachten oder Ausmessen des zur Verfügung stehenden Schärfe-Bereiches in Abhängigkeit zur gewählten Blende.



Im Folgenden noch ein Paar Schwenks, welche bereits angesprochene Problematiken verdeutlichen - diesmal mit dem Kit-Objektiv Nikkor AF-S DX 18-135 mm 1:3,5-5,6G IF-ED aufgenommen und den Original-Sourcen (QuickTime) zum Download:



 Arretiert man die Belichtung nicht über die AE-L Taste kommt es zu Belichtungs-Sprüngen
Arretiert man die Belichtung nicht über die AE-L Taste kommt es zu Belichtungs-Sprüngen


Hier der Schwenk mit AUTOBELICHTUNG 42,7 MB



Hier der Schwenk mit aktivierter AE-L Taste 42 MB





Bei den langsamen Schwenks muss man schon sehr genau hinschauen, um schiefe Linien auf Grund der unkorrigierten Sensorauslesung zu erkennen. Anders sieht dies jedoch bei sehr schnellen Kamerabewegungen aus. Hier sind entsprechend schiefe Häuserwände klar zu erkennen. Es bleibt zu hoffen, dass Nikon mit der nächsten Generation videofähiger DSLRS dieses Problem in den Griff bekommt - ansonsten raten wir einfach, auf extrem schnelle horizontalen Kamerabewegungen zu verzichten.



Schiefe Gebäude bei schnellen Schwenks
Schiefe Gebäude bei schnellen Schwenks


Wackel_Clip 25MB






Lowlight, Auflösung

Unsere Testlabor-Shots sind mit etwas Vorsicht zu genießen, weil wir große Probleme hatten, die Nikon D90 mit der nötigen Präzision auf unsere Testcharts auszurichten. Für normale Filmaufnahmen reicht das Bild des TFT-Displays aus - wenn es jedoch auf cm-genaues Ausrichten ankommt, stellt sich die Nikon D90 etwas bockig an. Für die Videoaufnahme kaschiert die D90 den Ausschnitt auf das 16:9 720P Format mit halbtransparenten Balken am oberen und unteren Monitorbild. Leider lässt sich dieser Ausschnitt erst während der Aufnahme anzeigen und macht so ein genaues Positionieren zur unendlichen Geduldsprobe - wir haben daraufhin das Video-Out-Signal des HDMI-Anschlusses an einen HDMI Monitor angeschlossen, in der Hoffnung ein aussagekräftigeres Videosignal zu erhalten: Leider Fehlanzeige. Der Handshake des HDMI-Outs mit dem Monitor verhält sich ebenfalls recht launisch - mal klappt er und mal nicht - hier besteht dringender Verbesserungsbedarf von Nikon. Zudem scheint am HDMI das komprimierte Videosignal anzuliegen, inklusive aller Menue-Daten. Nach einigen Stunden Fummelei hatten wir einen halbwegs korrekten Bildaussschnitt für unsere Lowlight-Szene, der jedoch nicht unseren sonstigen Standards entspricht. So bleibt uns derzeit nichts anderes übrig, als die Schärfe anhand der Lowlight-Shots und der restlichen Videoaufnahmen, von denen wir ja eine ganz Reihe in diesem Artikel als Originalsourcen zur Verfügung stellen, zu beurteilen. Daher also vorneweg: Die Shots dienen als Orientierung - nicht mehr und nicht weniger.



Nikon D90 bei 1200 Lux
Nikon D90 bei 1200 Lux


Vergleicht man unser 1200 Lux Bild mit denen anderer HD-Camcorder wird schnell klar, dass die Nikon D90 am unteren Ende in Sachen Schärfe arbeitet. Hauptverantwortlich dafür dürfte der MotionJPEG Codec sein, da die Objektive grundsätzlich mehr als genug Auflösung bieten. Hier liesse sich mit Optimierung bei der Kompression noch Einiges an Auflösung herausholen. Ansatzpunkte wären zum einen die Kompressionsrate, die mit knapp12 Mbit/s erstaunlich niedrig ausfällt - das Doppelte sollte hier mit einer leicht modifizierten Videoengine ohne Probleme möglich sein und andererseits der Videocodec, der gerne ein etwas modernere Variante vertragen könnte. Wieder einmal stellt sich die Frage, wieviel Schärfe man für entsprechende Filmaufnahmen benötigt. Für Werbefilme, wie den Henkell-Clip (s. Kapitel "Videos mit der D90") scheint auch für eine TV-Verwertung "genügend" Auflösung vorzuliegen - aber letztlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie scharf sein Material sein muss / sollte. In der Pixel-Peep-Welt des Testlabors performt die Nikon D90 in Sachen Video-Auflösung jedenfalls unterdurchschnittlich.



Nikon D90 bei 12 Lux
Nikon D90 bei 12 Lux


Auch das Lowlight-Video kann uns keinesfalls vom Hocker reißen. Auch hier reiht sich die Nikon D90 im unteren Drittel aller bisherigen Testkandidaten ein. Wohlgemerkt gilt dies nur in Sachen Video ! Bei Fotos ist die Nikon D90 in Sachen Lowlight-Performance, bzw. High-ISO-Rauschverhalten eine Klasse für sich - bei Video bleibt hingegen noch jede Menge Luft nach oben.








Videos mit der D90

Mittlerweile existieren eine ganze Reihe von Nikon D90 Videos im Netz, die in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen produziert wurden. Wir wollen hier 3 Videos vorstellen, welche die Bereiche Werbung, Familie und Journalismus, bzw. Event vorstellen. Diese Videos verdeutlichen am besten, wozu die Nikon D90 in der Lage ist, wenn man intelligent mit ihren Vor- und Nachteilen umzugehen weiss. Den Einstieg macht ein Familien-Video.







Pumkin Patch



Pumkin Patch von Jason Zada nutzt die immer wieder verschwimmende, manuelle Schärfe der Nikon D90 als impressionistisches Moment, das zusammen mit einer Farbkorrektur mit Magic Bullet und entsprechendem Soundmaterial einen sehr gelungenen 90 Sekünder produziert. Familienfilm einmal anders und sehr erfrischend im Gegensatz zur Alles-Immer-Scharf-und-Platt-Autofokus-HD-CAM.







Barack Obama



Dieses Video von BenSeese dokumentiert die Siegesrede Barack Obamas am Wahlabend der amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Vielen wird die Rede aus Sicht der offiziellen Fernsehkameras vertraut sein. Dieses Video hingegen wurde aus der Masse heraus gefilmt und transportiert die Begeisterung viel eindrucksvoller als das offizielle Bilder je könnten. Perspektive von unten und mittendrin - absolut passend für das Programm Obamas. Fotojournalisten, die häufig noch näher am Geschehen dran sind als Videojournalisten erhalten mit Video-DSLRs mächtige, neue Bildwerkzeuge an die Hand.







Henkell



Der Henkell-Clip wurde auf slashCAM bereits vielfach diskutiert. Mittlerweile soll er auch im Fernsehen zu sehen gewesen sein. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack - aber letztlich zählt der Erfolg und dieser Clip hat zumindest seinem Autor Martin Crespo ein beachtliches Echo beschert. Hier in der langen 5 Minuten Version zu sehen.






Fazit

Die Nikon D90 ist der neue Star am Low-Budget-Independent-Film Himmel. Alle Projekte in diesem Bereich, die sich bislang umständlich mit 35mm Konverter und (Nikkor)-Objektiven abgeplagt haben, erhalten hier zu einem Bruchteil des Preises den Filmlook, der so lange, so verzweifelt gesucht wurde. Die Nikon D90 bedeutet Rückbesinnung auf filmisches Arbeiten und dürfte damit zu einem Verkaufsschlager auch für Filmhochschulen werden. Sie ist nicht für Jedermann und man sollte sich genau ihrer Schwächen bewußt sein: Wobble-Sensor, AUTO-ISO, AUTO-Shutter, max 5 Min. Aufnahmedauer in 720p, zickige, komprimierte HDMI-Preview, Mono-Sound ohne Mikro-Eingang, relativ geringe Auflösung. Das alles ist jedoch bei einem Preis von knapp 1000,- Euro total egal, zumal man als Zugabe noch einen hervorragenden Fotoapparat erhält. Rechnet man noch hinzu, dass die Nikon D90 die erste DSLR mit Videofunktion darstellt und damit den Weg für zukünftige Generationen bereitet, können wir nur sagen: Bravo Nikon ! Sehr empfehlenswert !



Rob



Dank an die Wüstefeld GmbH in Berlin für das großzügige Bereitstellen von Nikkor-Optiken aus ihrem Rent-Programm sowie an die Firma Historische Bauelemente für die Drehgenehmigung für Testshots auf ihrem Gelände in Marwitz.


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