Wissen Die Philosophie des Editings - Typische Schritte des Filmschnitts

Die Philosophie des Editings - Typische Schritte des Filmschnitts

Wir wollen in diesem Artikel nicht auf konkrete Schnitttechniken eingehen, sondern einmal einen klassifizierenden Blick auf das ganze "Drumherum" des Schnitts werfen. Bei genauerer Betrachtung gibt es viele Methoden, die wohl praktisch jeder Cutter instinktiv beherzigt...

// 15:41 Do, 19. Jul 2018von

Der Schnitt fügt die Einzelteile einer Produktion zu einem Werk zusammen und strukturiert den Film zu einem harmonischen Ganzen. Sollte man versuchen, das Ziel des Schnitts auf eine Formel zu reduzieren, dann trifft es Frank Joseph Urioste recht gut: "Wenn man beim Betrachten des Films den Schnitt wahrnimmt und sich dabei ertappt, dass man darüber nachdenkt, dann funktioniert er nicht richtig. Alles muss so mühelos und selbstverständlich wie möglich wirken". Kurz gesagt: Der beste Schnitt ist der, den man nicht wahrnimmt. Das klingt leicht, ist aber schwer zu vermitteln. Wie lernt man "richtig" zu schneiden?



Viele Cutter sagen, dass sie gar nicht genau beschreiben können, was einen guten Schnitt letztlich ausmacht. Sie beschreiben ihre Vorgehensweise als "intuitiv" und sehen im eigenen Vorgehen wenig bis keine Struktur. Dennoch kann man bei genauerer Betrachtung durchaus einzelne Schritte ausmachen, die wohl praktisch jeder Cutter instinktiv beherzigt, wenn auch individuell auf seine Weise. Wir wollen daher in diesem Artikel nicht auf konkrete Schnitttechniken eingehen (z.B. wie man in die Bewegung schneidet), sondern einmal einen klassifizierenden Blick auf das ganze "Drumherum" werfen.





Die Sichtung

Der erste Schritt ist praktisch immer die Sichtung des vorhandenen Materials. Dabei werden die Clips während der Sichtung mit Notizen versehen oder getaggt/markiert.



Viele Cutter berichten, dass sie sich bei der Sichtung eher wenig Notizen machen. Die meisten benoten nur kurz den eigenen ersten Eindruck einer Aufnahme. Schließlich bewerten auch die Zuschauer später die Szene im fertigen Film nach ihrem ersten Eindruck. Sollte eine Szene schon auf den ersten Blick bemerkenswert sein, so sollte dies der Cutter auf jeden Fall mit einer Markierung festhalten. Denn es wird ja nie wieder einen zweiten "ersten Eindruck" für den Cutter dieser Szene geben.


Auch das (unterbewusste) Gefühl zu einer Szene spielt eine große Rolle. Stimmt alles oder ist irgendwas verkehrt, also unstimmig? Auf den ersten Eindruck ist hinsichtlich dieser Frage fast immer Verlass.



Berühmte Cutter, die ihr Handwerk selbstreflektiv betrachten (wie beispielsweise Karen Pearlman), behaupten, dass ein guter Cutter nicht nur bei der Sichtung der Szenen mitfühlt, sondern auch auf einer Metaebene mitbekommt, wie und welche Gefühle durch die Szene erzeugt werden. Das emotionale Radar soll dabei einerseits die Emotionen aufspüren und mitfühlen, aber gleichzeitig auch klassifizieren wie diese Emotionen später im Schnitt genutzt werden könnten.



Zwar ist meistens eine eindeutige "Handlung" durch das Drehbuch definiert, welches die Geschichte grundsätzlich vorantreibt. Die bei der Sichtung entdeckten "Gefühle" sind dagegen (wie die Gewürze eines Essens) dazu da, die Geschichte zu bereichern. Denn großes Kino ist fast immer eine emotionale Reise, die visuell und akustisch aus den Vollen schöpft. Und genau diese "gefundenen Gefühle", die visuell gelungen eingefangen wurden, entscheiden über glaubhafte Emotion oder flache Belanglosigkeit einer Szene. Diese Emotions-Schätze gilt es bei der Sichtung zu heben. David Wu formuliert es so: "Dailies zu sehen ist wie auf eine Schatzinsel zu kommen. Es ist eine Ostereiersuche. Viele Leute finden es eine Last oder einen Job. Ich denke, es macht Spaß."



Die Philosophie des Editings - Typische Schritte des Filmschnitts : editing3


Natürlich sind die hierbei gefundenen Emotionen selten eindeutig, besonders wenn sie sehr subtil sind. Bei einer Reaktion eines Darstellers in Großaufnahme kann schon das leichte Zucken eines Mundwinkels alles mögliche bedeuten. Umso mehr liegt die Kunst des Editors darin, diesen Interpretationsspielraum zu füllen und die Emotion im Sinne der Story glaubhaft zu nutzen.



Die meisten Editoren sichten die Szenen in chronologischer Reihenfolge. Ein manchmal zitierter Tipp besagt jedoch das Gegenteil: Wenn man die Szenen entgegen der zeitlichen Abfolge ansieht, kann man frühere Szenen besser im Kontext des meist wichtigen Endes einschätzen.







Ähnliche Artikel //
Umfrage
  • Was hältst du von den neuen Bild/Video-KIs?





    Ergebnis ansehen
slashCAM nutzt Cookies zur Optimierung des Angebots, auch Cookies Dritter. Die Speicherung von Cookies kann in den Browsereinstellungen unterbunden werden. Mehr Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mehr Infos Verstanden!
RSS Suche YouTube Facebook Twitter slashCAM-Slash