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Buchkritiken : Die chinesische Sonne scheint immer von unten.

von Mi, 20.August 2014


BildAchim Dunker
Die chinesische Sonne scheint immer von unten. Licht- und Schattengestaltung im Film.
Verlag: UVK
brochiert - 224 Seiten
Sprache: Deutsch
Erschienen: April 2014 -- 6. überarb. Auflage
ISBN: 386764394
Preis: 17,99 Euro



Wer sich beruflich oder als Hobby schon länger mit Film und Video beschäftigt, könnte dieses Buch von Achim Dunker längst in seinem Regal zu stehen haben. Es erschien nämlich erstmals 1993 und wurde seitdem mehrmals neu aufgelegt -- wenn nun eine überarbeitete 6. Auflage verfügbar ist, darf man also wohl von einem Standardwerk der Fachliteratur sprechen. In den zwanzig Jahren hat sich allerdings einiges getan: die Kameratechnik ist beinahe vollständig auf digitale Aufzeichnung umgestellt worden, mit diversen Folgen für filmische Workflows. Ist man beispielsweise beim Dreh auf analogem Material quasi im Blindflug unterwegs und somit auf seine Erfahrung sowie Instrumente wie Lichtmesser angewiesen, läßt sich das aufgenommene Bild digitaler Kameras in Echtzeit am Monitor kontrollieren. Im Lichte dieser veränderten Bedingungen (sorry, das mußte jetzt sein...) wollten wir wissen, wie sich das Buch heute noch schlägt.

Zunächst einmal fällt auf, daß der Text für sein Thema bemerkenswert untechnisch gehalten ist. Lampen und andere Hilfmittel werden auf knapp 30 Seiten abgehandelt, die Kameratechnik wird nur marginal angesprochen. Es geht -- der Titel legt dies ja bereits nahe -- viel eher um gestalterische Aspekte, also wie man Motive ins rechte Licht rückt. Für die Lichtgestaltung ist, wie der Autor immer wieder betont, jedoch nicht nur die Ausleuchtung allein wichtig (daß etwas "gut" aussieht), sondern man sollte stets auch darauf achten, welche Stimmung entsteht und welches Konzept dabei verfolgt wird. Das Licht ist ja kein Alleinzweck, sondern immer ein Mittel zur Herausarbeitung der filmischen Absicht. Auch heute sollte man sich dessen bewußt sein, obwohl bzw. gerade weil die Kameras teilweise sehr lichtempfindlich sind und scheinbar ohne zusätzliche Beleuchtung auskommen,

Die rein praktische Arbeit mit Licht bleibt immer das zentrale Thema -- es werden die klassischen Setups erläutert und welche Funktionen welches Licht dabei einnehmen kann, außerdem typische Situationen (Innenbereich, Außenaufnahmen, nicht jedoch zB. Greenscreen-Ausleuchtung) beispielhaft gelöst. Besonders realitätsnah für die meisten Leser dürfte das neue Guerilla Lighting Kapitel sein, welches simple, konkrete Herangehensweisen vermittelt, die angewendet werden können, wenn nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Es wird dann ja grundsätzlich anders gearbeitet, denn plötzlich wird das am Drehort bereits vorhandene Licht wichtig, während man sonst oftmals versucht, dieses auszuschließen, weil es schwer zu kontrollieren ist.

Uns gefällt die recht pragmatische Einstellung, der man durchweg auf den Seiten begegnet, sehr gut. Dem Autor ist offensichtlich mehr daran gelegen, dem Leser ein grundsätzliches Verständnis vor allem von Lichtwirkung an die Hand zu geben, als absolute Regeln aufzustellen. Man müsse in jeder Situation einschätzen können, was man sich erlauben kann, heißt es einmal, und auch, daß es nicht immer darum geht, störende Schatten nicht entstehen zu lassen; manchmal reiche es auch, diese nicht zu zeigen. Die Kernbotschaft lautet, wer wirklich lernen will mit Licht umzugehen, muß üben -- schauen, analysieren und ausprobieren.

Da die Technik also eine nicht allzu prominente Rolle spielt, ist die Zeit tatsächlich relativ gnädig an dem Buch vorbeigegangen. Seine Entstehung im noch analogen Zeitalter merkt man ihm aber trotz Überarbeitung noch deutlich an; heute würde man sicher hier und da anders gewichten. Etwa beim Thema Farbtemperatur, wenn darauf hingewiesen wird, daß die Farbtemperatur des Lichts mit der vorgesehenen Farbtemperatur des Filmmaterials übereinstimmen muß, da es sonst zu Farbstichen kommt. Erst etwas später wird kurz der Weißabgleich erwähnt, der bei elektronischer Aufnahme statt dessen vorgenommen wird. Auch wird der Belichtungsmessung ein paar Seiten gewidmet, aber nicht erklärt, wie ein Histogramm oder Vektorskop zu deuten ist. Das derzeit immer wieder heiß diskutierte Thema Kontrastumfang (Dynamic Range) bei digitalen Kameras spielt keine Rolle.

Fazit: Obwohl es sich nach wie vor eher am analogen Negativ als am digitalen Bildwandler orientiert, vermittelt das Buch auch heute noch viel nützliches Wissen über die Wirkung von Licht und wie es filmgestalterisch einsetzen läßt.


PS. Bei dieser Gelegenheit haben wir nochmal ein Interview herausgekramt, das wir mit einem befreundeten Beleuchter zum Thema professionelles Arbeiten mit Licht geführt hatten -- auch schon wieder ein paar Jahre her, aber immer noch lesenwert, wie wir finden: Teil 1 | Teil 2


  

[3 Leserkommentare] [Kommentar schreiben]   Letzte Kommentare:
welte    13:46 am 26.8.2014
An "sgywalka". Bitte halts M..l!
sgywalka    17:20 am 20.8.2014
Quizfrage? "..mit wie viel her(T)z scheint die Sonne?" a.) um 8Uhr 45min Morgens in San realos/ Chile b.) um 16Uhr 12min Nachmittag in San Diego/ usa c.) um 13 Uhr 01 min...weiterlesen
nachtaktiv    16:00 am 20.8.2014
was soll sich auch grossartig beim thema licht ändern ? allenfalls die energiesparpotentiale wurden hochgeschraubt, mit LEDs und co ... der rest bleibt gott sei dank, solides...weiterlesen
[ Alle Kommentare ganz lesen]

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update am 3.Oktober 2023 - 13:03
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