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The Rhythm of the Image: Coppolas Cutter Walter Murch auf der Berlinale 2004

Was haben Apocalypse Now, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Godfather, THX 1138, Der englische Patient und Cold Mountain gemein? Richtig, die meisten dieser Filme verdanken Walter Murch ihren Schnitt, einige ihren Sound und manche sogar beides.

// 13:49 Do, 19. Feb 2004von

Was haben Apocalypse Now, Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Godfather, THX 1138, Der englische Patient und Cold Mountain gemein? Richtig, die meisten dieser Filme verdanken Walter Murch ihren Schnitt, einige ihren Sound und manche sogar beides.



Eigentlich dürfte es solche Menschen wie Walter Murch gar nicht geben - zumindest wenn man die Sichtweise der amerikanischen Filmgewerkschaft einnimmt: Ein kreativer Mensch, der sich sowohl im Soundbereich als auch im Editing auskennt, und beide Jobs auf höchstem, professionellen Niveau ausübt. Das darf nicht sein. Entweder Sounddesigner oder Cutter aber bitte nicht beides.



Glücklicherweise hat sich Walter Murch nicht von der Filmgewerkschaft standardisieren lassen und stets darauf bestanden, beide Jobs machen zu können - manchmal um den Preis, eine Stadt verlassen zu müssen - die Filmgeschichte dankt es ihm mittlerweile. Beispielsweise mit einem Doppel-Oscar für besten Sound und besten Schnitt für den Englischen Patienten.





Ohne Walter Murch gäbe es nicht jenen Helikopter-Walküren-Sound in Apocalypse Now, der sich ein für allemal in die Gehörgänge des Publikums eingebrannt hat, es gäbe nicht den traumwandlerisch sicheren Schnitt in der Unerträglichen Leichtigkeit des Seins, auch nicht die hervorragende Musikauswahl in ebendiesem Film, es gäbe nicht den Debutfilm von Georg Lucas THX 1138, den Walter geschnitten hat, es gäbe keinen brillanten Schnitt des Bürgerkiegsepos Cold Mountain, der dieser Tage mit Nicole Kidman in den Kinos anläuft, der talentierte Mr. Ripley etc.pp.... die Lücke wäre lang und tief, die Walter Murch hinterließe, hätte er nicht sein Talent für Sound und Editing gepflegt und angewandt wie er es glücklicher Weise getan hat ...



Auf der Berlinale 2004 konnte man der Legende Walter Murch begegnen, der bereitwillig und sehr kurzweilig einem interessierten Publikum Auskunft über seinen Weg zum Film, seine Cutter- und Sound-Tricks sowie Anekdoten zu einzelnen Regisseuren zum Besten gab und sich überhaupt als ein sehr angenehmer Zeitgenosse entpuppte.



Wer Walter Murch aufmerksam zuhört, bekommt schnell mit, daß für ihn die Trennung zwischen Schnitt und Sounddesign eine künstliche ist, die häufig zwar eine Notwendigkeit des Budgets darstellt, aber hier eigentlich auseinander dividiert wird, was zusammengehört. So spricht Walter vom Rythmus, von der Melodie von Szenen und Bildern oder von der visuellen Präsenz eines Soundtracks. Synästhesie in Reinform.



Besonders spannend ist es natürlich vom "film editor´s editor" zu hören, was ihn beeinflusst hat und wie er sich einem Film nährt, um den richtigen Sound und den passenden Schnitt zu finden. Die Wurzeln liegen im so viel geschmähten "Alten Europa" - genauer in Frankreich.



Wie jeder gute junge wilde Amerikaner verbrachte Walter Murch einige Zeit in Paris. Hier kam er mit den Filmen der Nouvelle Vague und des Cinema Vérités in Berührung. In Godards "Atemlos" offenbarte sich ihm eine neue Welt. Alles, was bisher als unverrückbares Regelwerk des Films galt, war plötzlich über den Haufen geschmissen - aber noch wichtiger: der Film kam aus den heiligen Hallen seiner Unberührbarkeit hinunter zu den Menschen als von Menschen für Menschen Gemachtes. Film war kein Hexenwerk mehr, sondern Handwerk und Technik, deren Umgang man erlernen konnte. Es war hier, wo Walter Murch beschloß, seinen Weg im Film zu finden.



Zurück in New York wurde geheiratet, der Honeymoon auf dem Motorrad Richtung Westküste verbracht, Ziel: Hollywood. Dort ging es direkt zur Filmhochschule. Murch studierte hier mit Nonames wie George Lucas und Frances Ford Coppola.



Das alte Studio-System in Hollywood war gerade mal wieder in einer Krise, als Murch die Filmhochschule verließ. Hinzu kam eine starke Filmgewerkschaft, die es Murch schwer machte, sowohl als Filmeditor als auch als Sounddesigner zu arbeiten. So verließ er mit Lucas und Coppola Hollywood und gründete mit ihnen eine eigen Produktions- und Postproduktionsfirma in San Francisco "Zoetrope" - der Rest ist eigentlich Geschichte. Zoetrope



In den Jahren danach ist sich Walter Murch in seiner Arbeitsweise treu geblieben - und vielleicht liegt hier ja auch das Geheimnis seines Erfolgs:



Der erste Blick auf einen Film ist für Walter Murch der Alles Entscheidende. Es gibt nur dieses eine Mal, in dem das Auge des Cutters und/oder Sounddesigners den Film oder Dailies daraus zum ersten Mal sieht. Es ist der einzige Moment, in dem er dem Kinopublikum in dessen einmaligen Erlebnis des Films nahe sein kann. Doch anstatt sich technische Kommentare und erste Schnittschematas zu notieren, assoziert Murch in seinen Laptop hinein, blind schreibend, die Augen stets auf den Film gerichtet. So entsteht parallel zum Film eine Filmpartitur von Gefühlen und Assoziationen, die, einmal notiert, bei späteren schwierigen Entscheidungen wieder konsultiert wird, ob die Entscheidungen mit dem ersten Eindruck konform gehen oder nicht.



Murch spricht viel vom Rhythmus der Bilder. Die primäre Frage hierbei ist, wie lange eine Szene stehen darf und wann der Zeitpunkt gekommen ist, sich aus ihr mit einem Schnitt zu verabschieden. Um diesen Rhytmus zu finden, um in das Tempo eines Films zu gelangen, hat er ebenfalls spezielle "Übungen" entwickelt. Paradoxer Weise tut er hierbei genau das, was laut Lehrbuch für Cutter als Todsünde gilt: Er schließt die Augen.





Mit geschlossenen Augen läßt er die Szene vor seinem inneren Auge Revue passieren, während er den Clip in der Timeline abspielen läßt. Sobald die erinnerte Szene an einen natürlichen Schluß gelangt ist, hält er den Pointer an. Wenn in ein Paar Wiederholungen der Pointer immer wieder an der gleichen Stelle zum Stehen kommt, dann hat er seinen Schnittpunkt gefunden. Wow.



Zu metaphysisch ?



Nun, Legenden dürfen sowas machen - darum sind sie das, was sie sind und deshalb verdienen sie auch unsere Bewunderung ... und wer weiss ... vielleicht gibt es ja in ein Paar Jahren Editing-Tai-Chi als Kurs an jeder besseren Filmhochschule - ich würde ihn besuchen - mit geschlossenen Augen - so viel ist sicher.



rob


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